Fenster zum Tod
muss. Deshalb sollen Sie wissen, dass ich nicht auf das große Geld aus bin«, versicherte mein Bruder. »Ich brauche nur so viel, dass ich meine Ausgaben decken kann. Ich lebe nicht auf großem Fuß. Ich biete meine Dienste an, weil ich glaube, dass das meine Bürgerpflicht ist.«
»Thomas, Agent Driscoll und ich würden gerne sehen, wo Sie arbeiten.«
»Ja, klar«, sagte er.
Ich folgte den dreien die Treppe hinauf und spürte, wie sich noch ein paar meiner Innereien aufzulösen begannen. Im Obergeschoss angekommen, blieben die Agenten vor den Landkarten an den Wänden stehen. Es kam Thomas gar nicht in den Sinn, extra auf sie hinzuweisen, als er seine Zimmertür öffnete.
»Das ist mein Arbeitsplatz«, sagte er. »Und hier schlafe ich auch.«
»Heiliger Strohsack«, murmelte Driscoll, während er sich im Zimmer umsah.
»Was ist das?«, fragte Parker und zeigte auf die drei Bildschirme. Einer zeigte ein Bürogebäude, auf dessen Fenstern die Buchstaben CIBC prangten. Es sah aus wie ein Finanzinstitut. Auf den anderen beiden war dieselbe Straße zu sehen, nur in entgegengesetzten Richtungen.
»Yonge Street, Toronto«, sagte Thomas. »Sie fängt unten am Ontariosee an und führt vom Queen’s Quay Boulevard Richtung Norden. Ich habe am Südende angefangen und mich bis zur Bloor Street vorgearbeitet. Es ist eine sehr lange Straße, deswegen werde ich nicht einfach bis zum oberen Ende hochgehen, sondern die Querstraßen abklappern.«
»Wie viel Zeit verbringen Sie denn damit?«, fragte Parker.
»Ich schlafe von circa ein Uhr nachts bis neun Uhr morgens, und ich mache Pausen, um zu essen, und ich dusche jeden Morgen, aber den Rest der Zeit arbeite ich. Gestern musste ich zu meiner Psychiaterin, da habe ich ein bisschen Zeit verloren, aber sagen Sie der CIA, sie müssen sich keine Sorgen machen, die hole ich schon wieder auf. Und jetzt verliere ich auch Zeit, aber das hat mit meiner Arbeit zu tun und geht schon in Ordnung, glaube ich.«
Ich sah, wie Parker und Driscoll Blicke wechselten, als Thomas »Psychiaterin« sagte. »Zeigen Sie uns, was Sie machen«, forderte Parker ihn auf.
»Ja, gut.« Thomas setzte sich auf seinen Stuhl und legte die rechte Hand auf die Maus, dann fuhr er mit dem Cursor über die Straße auf dem mittleren Bildschirm. »Ich klicke immer wieder auf die linke Taste und bewege mich so die Straße entlang, wenn ich die Taste gedrückt halte, kann ich mich im Kreis drehen und alle Läden und Restaurants und Büros sehen, aber die Leute kann man normalerweise nicht erkennen, und die Nummernschilder der Autos und Lkw sind verschwommen, aber alles andere ist richtig scharf.«
»Können Sie mal Ihr E-Mail-Programm öffnen, Thomas?«, fragte Parker.
»Gut.«
Er klickte die Briefmarke am unteren Bildschirmrand an, und seine E-Mails erschienen. Sein Posteingang – und ich kann mich nicht erinnern, jemals so einen Posteingang gesehen zu haben – war leer.
»Sie löschen Ihre Mails immer gleich?«, fragte Driscoll.
»Ich bekomme keine«, sagte Thomas. »Ich habe keine Freunde in dem Sinne, die mir schreiben würden. Manchmal bekomme ich Junk-Mails. Wie man –«, er reckte den Hals und sah Agent Parker an, errötete und fuhr fort, »also, wie man sein, also wie man sein Ding vergrößert oder so was. Die lösche ich sofort.«
Ich überlegte, ob ich Einwände erheben, den Agenten sagen sollte, dass sie einen Durchsuchungsbeschluss brauchten, wenn sie in Thomas’ E-Mails herumschnüffeln wollten. Doch dann kamen mir Bedenken. Möglicherweise fassten sie das als Provokation auf. Meine Hoffnung war, dass sie erkannten, wie harmlos das Treiben meines Bruders war, und dass ihr Misstrauen ihm gegenüber sich in Wohlgefallen auflöste.
»Zeigen Sie uns, was in Ihrem Papierkorb ist«, forderte Driscoll Thomas auf. Offensichtlich war er noch nicht überzeugt.
»Den vergesse ich immer auszuleeren«, sagte Thomas. »Da.«
Wie Thomas gesagt hatte, war der Ordner voller Junk-Mails der Kategorie Penisverlängerung.
»Und jetzt den Ordner mit den gesendeten Nachrichten«, sagte Parker.
Thomas klickte mit der Maus, und da waren sie. Die gesendeten Nachrichten. Sie füllten den Bildschirm von oben bis unten. Hunderte und Aberhunderte von Nachrichten. Geschrieben von Thomas Kilbride.
Jede einzelne von ihnen an denselben Empfänger adressiert: die E-Mail-Adresse des amerikanischen Geheimdiensts.
»Du meine Güte«, sagte ich.
»Ich halte die Leute gerne auf dem Laufenden über das, was ich tue«,
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