Fenster zum Tod
ganz bestimmt für ihre neue Website schreiben würden, auch Donald Trump, sie kenne ihn übrigens sehr gut, sei aber trotzdem noch nicht hinter das Geheimnis seines Haares gekommen. Sie stellte mir nicht eine einzige Frage, außer wie es meinem Vater gehe, sie habe gehört, er sei ein wenig unwohl. Dann, schon im Begriff, sich zu ihrem nächsten Termin zu verfügen, sagte sie noch, ich hätte den Job, und die Website sei in drei Monaten startklar.
Ich nahm an.
Als sie gegangen war, sagte Jeremy, er habe das Gefühl, hier sei gerade ein Tornado durchgefegt. Wir verabredeten, bald wieder zu telefonieren, und ich ging. Vor dem Hotel winkte ich ein Taxi heran.
»Houston Ecke Orchard«, sagte ich, und der Wagen fuhr los. Ich lehnte mich auf dem schwarzen Vinylsitz zurück. Eins war sicher: Ein Vorstellungs gespräch wie dieses hatte ich noch nie erlebt. Ich lachte in mich hinein.
Dann wandte ich mich der Aufgabe zu, die jetzt auf mich wartete. Mir war völlig schleierhaft, was ich eigentlich tun sollte. Ich dachte an mein gestriges Gespräch mit Thomas.
»Und wenn ich vor dem Haus in der Orchard Street stehe«, hatte ich gesagt, »was soll ich da tun? Ich meine, am Fenster wird der Kopf nach so langer Zeit wohl nicht mehr sein.«
»Ich weiß nicht«, sagte Thomas. »Dir wird schon was einfallen.«
Siebenundzwanzig
H oward Talliman schlief schlecht.
Howard schlief schon seit neun Monaten schlecht. Seit Ende August hatte er keine Nacht mehr durchgeschlafen.
Abgenommen hatte er auch. Acht Kilo. Das waren zwei Löcher in seinem Gürtel. Wären da nicht die Ringe unter seinen Augen und sein aschfahler Teint gewesen, hätte er sogar richtig gut ausgesehen, soweit man bei jemandem, der in etwa die Figur eines Gartenzwergs hatte, von gut aussehen sprechen kann.
Tallimans äußere Erscheinung und seine Gereiztheit, beides die Folge von Schlafmangel, waren ihm selbst am unangenehmsten, waren sie doch ein Hinweis, dass ihn etwas belastete, und Howard wollte keinesfalls, dass jemand auf die Idee käme, irgendetwas bereite ihm Sorgen.
Sich Sorgen zu machen entsprach nicht Howards Charakter. Er bereitete anderen Sorgen. Auch Nervosität war kein Wesenszug von Howard. Er machte andere nervös.
Schwere Zeiten für jemanden, der den Schein wahren wollte.
»Du siehst grauenhaft aus«, sagte Morris immer wieder zu ihm. »Warst du mal beim Arzt?«
»Mir geht’s gut«, sagte Howard dann. »Um dich mache ich mir Sorgen. Du warst für mich schon immer die Hauptsache.«
Normalerweise blühte Howard richtig auf, wenn es eng wurde. Druck war sein Lebenselixier. Bei den Wahlkampagnen, die er betreute, spielte es keine Rolle, wie schlecht die Chancen für seinen Kandidaten standen, wie hoch sein Rückstand war. Howard gab nie auf. Er geriet nie ins Schwitzen, auch wenn alle um ihn herum sagten, es sei vorbei. Er analysierte Probleme. Und er löste sie. Einmal, als ein Stadtrat sich zur Wiederwahl stellte, war seine gefährlichste Herausforderin eine Frau, die sich auf die umfangreiche Erfahrung berief, die sie in den verschiedenste Ehrenämtern gesammelt hatte. Hunderte von Stunden hatte sie sich für die Armen und sozial Benachteiligten engagiert, während der elende Schmarotzer, dessen Kampagne Talliman leitete, es sich auf Kosten anderer gutgehen ließ.
»Wir müssen einen Weg finden, ihr Engagement für andere gegen sie zu kehren«, sagte Talliman.
Die allgemeine Reaktion im Wahlkampfteam war: »Häh?«
Talliman sagte, wenn man John Kerry aus seinem Einsatz in Vietnam einen Strick drehen konnte, dann war alles möglich. Es galt, die Stärke der Frau zu ihrer Schwäche zu machen. Talliman setzte Blocker darauf an. Er fand gewisse Hinweise, aus denen sich konstruieren ließ, dass das soziale Engagement der Frau zu Lasten ihrer Kinder und ihres Ehemannes ging. Ihr pubertierender Sohn war wegen Kokainbesitz verhaftet worden, wenn auch der Fall nie vor Gericht gekommen war. Ihr Mann verbrachte auffallend viel Zeit in den Bars seines Wohnviertels, und das Hinterteil einer Kellnerin war für ihn stets eine Aufforderung, hineinzukneifen. Talliman sorgte dafür, dass diese Information an die Presse durchsickerte, hütete sich aber, sie direkt weiterzugeben. Wenn Geschichten wie diese kein Beweis dafür waren, dass die Frau blind war für die Nöte ihrer nächsten Angehörigen, was dann? Noch zwei Wochen vor der Abstimmung überschwemmte Talliman den Wahlbezirk mit Handzetteln, in denen er seinen Kandidaten als ausgesprochenen
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