Ferdinand Graf Zeppelin
als Quäker, der schon seit langer Zeit in der Weltabgeschiedenheit seiner Behausung seinem Glauben diente und von den politischen Zuspitzungen der vergangenen Monate nicht die geringste Kenntnis besaß. Und selbst wenn: es hätte ihn nicht interessiert. Denn der Mann beschäftigte sich längst nicht mehr mit irgendwelchen irdischen Fragestellungen und nahm den bedürftigen Fremdling somit in aller Barmherzigkeit gerne für diese Nacht bei sich auf.
Einigermaßen gestärkt und mit wieder trockener Kleidung konnte Zeppelin bei Tagesanbruch sein Abenteuer also fortsetzen. Das Gelände erwies sich freilich als zunehmend steil und schwierig. Die Orientierung fiel ihm zunehmend schwerer, so dass er sich gezwungen sah, ein Stück weit trotz aller Entdeckungsgefahr die offizielle Straße zu benutzen. Mit viel Glück gelangte er schließlich in die Nähe des Dorfes Hirschthal, also offensichtlich schon auf deutsches Territorium. Befand er sich also schon in Sicherheit? Eher nicht. Denn die Lage in diesen ersten Kriegstagen war genauso verworren und unübersichtlich, wie der Grenzverlauf. Genau deswegen war er ja auf den Erkundungsritt geschickt worden. Er tat folglich gut daran, sich nicht allzu früh der trügerischen Hoffnung hinzugeben, er habe es bereits geschafft.
Die bei Zeppelins plötzlichem Auftauchen bis ins Mark erschrockenen Bauern, die auf den Feldern gerade mit dem Unkrauthacken beschäftigt waren, bestätigten allein schon durch ihr Verhalten seine düsteren Ahnungen. Keiner von ihnen wollte dem deutschen Offizier eine Auskunft geben, wie dieser abseits der Straße möglichst rasch die deutschen Linien erreichen könne. Das sei ohnehin ein nahezu unmögliches Unterfangen, denn überall in der Gegend seien inzwischen die Franzosen auch schon hier auf deutschem Gebiet heimlich in Stellung gegangen und hätten ihre Posten aufgebaut. Mehr mochten die Bauern nicht sagen. Selbst auf sein energisches Nachhaken blieben sie stumm – manche von ihnen ließen sogar einfach die Hacke fallen und suchten rasch das Weite. Man wolle da lieber »in nichts mit den Franzosen hineinkommen«, rief einer der Bauern noch hastig, bevor auch er sich umwandte und den anderen hinterher hastete. Das war ja nicht zu fassen! In seiner plötzlich aufsteigenden Wut packte Zeppelin einen ungefähr 14-jährigen Burschen, der die Szene mit weit offenem Mund verfolgt hatte, unsanft beim Kragen und zog ihn hart zu sich heran. »Du sagst mir jetzt augenblicklich, wohin ich reiten muss, um die deutschen Linien zu erreichen, hast du mich verstanden, Kerl?« donnerte er dem zitternden Knaben ins aschfahle Gesicht. »Du kennst doch die Wege hier, nicht wahr?«
»Ja, schon«, stotterte der. »Es … es ist aber nicht ganz einfach zu beschreiben …«
»Dann kommst du jetzt einfach mit mir mit!« Und bevor der Junge begreifen konnte, wie ihm geschah, sah er sich auch schon von einer kräftigen Hand direkt neben den Offizier auf das Reitpferd gesetzt.
»Also: in welche Richtung müssen wir gehen?«
»Dort … dort hinüber. In Richtung Nothweiler. Da sind noch am wenigsten Franzosen.«
»Aber wir können nicht die normale Straße nehmen, dass dir das klar ist?«
»Ja, sicherlich … Zu Befehl …Herr … Herr General«, stotterte der am ganzen Leib zitternde Junge. »Ich kenne mich im Wald da drüben auch ganz gut aus. Den Weg dort werden die Franzosen nicht kennen.«
»Also, in diese Richtung! Und wehe dir, du führst mich trotzdem den Franzosen in die Hände! Im übrigen bin ich Hauptmann und kein General, das müssten sie dir in der Schule doch längst beigebracht haben«, schmunzelte Zeppelin trotz aller Gefahr, in der er gerade steckte.
»Zu Befehl, Herr General … Herr Hauptmann, meine ich!«
»Wie heißt du eigentlich, Junge?«
»Ja … Ja … Jakob«, stotterte der Bub, der vor lauter Aufregung kaum noch sprechen konnte.
»So, so, der Jakob bist du also«, wiederholte Zeppelin in einem deutlich milderen Tonfall, um den armen Kerl ein bisschen zu beruhigen. Der Junge konnte ja wirklich nichts dafür, dass die Erwachsenen alle davon gerannt waren und er als einzig übrig Gebliebener nun den Wegweiser machen musste. »Das ist ein schöner Name. Mein Name ist übrigens Ferdinand.«
»Das … das ist auch ein schöner Name, Herr Gen … ich meine, Herr Hauptmann. Jetzt müssen wir uns nach links wenden.«
Sein Pfadfinder erwies sich in der Tat als idealer und umsichtiger Führer. Ohne den Stellungen der Franzosen auch nur ein einziges
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