Ferdinand Graf Zeppelin
einen soldatischen Mutbeweis ohnegleichen abgeliefert, der ja momentan in ganz Deutschland seine Runde macht und sich damit quasi zum Kriegshelden hochstilisiert«, deklamierte der preußische Oberst mit schneidender Stimme, »aber dennoch handelt es sich bei diesem Unternehmen in Wahrheit um eine militärstrategische Dummheit ohnegleichen, bei der Sie mit Ihrer tollkühnen Dreistigkeit nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschenleben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt haben! Gesetzt den Fall, man hätte Sie dingfest machen können, was bekanntlich nur mit knappster Not vermieden werden konnte: sämtliche geheimen Informationen, die Sie bei sich getragen haben, wären damit in die Hände des Feindes gefallen. Bei Tageslicht betrachtet war ihre angebliche Heldentat, für die Sie nun landauf – landab gefeiert werden, alles andere, als ein Ruhmesblatt. Solche Alleingänge sind wir in der preußischen Armee nicht gewohnt, Zeppelin. Merken Sie sich das! Ein für allemal! Auch General von Moltke lässt sein tiefstes Befremden über Ihre tolldreiste Eigenmächtigkeiten ausrichten. Er habe eigentlich ein besonneneres Vorgehen von Ihnen erwartet. Sie können jetzt wegtreten, Zeppelin!«
Wie vom Donner gerührt war Zeppelin nach dieser überscharfen Zurechtweisung – die dazu offenkundig mit voller Absicht vor den Ohren zahlreicher anderer Offiziere erfolgt war – in seine Kammer zurückgekehrt. Die eigentümliche Vorahnung, die ihn bereits in dieser Stunde düster zu beschleichen begann, sollte sich in den kommenden Wochen tatsächlich bewahrheiten. Seine militärische Karriere war zu einem abrupten Stillstand gekommen. Und das gleich bei Kriegsbeginn! Aller Popularität zum Trotz, die der Name Graf Zeppelin seitdem im Volk genoss. Aber bekanntlich ist das Gedächtnis der Menschen kurz und bald schon gab es andere Helden zu feiern und die nächsten Siege zu bejubeln. Das Verhältnis zu den Preußen hatte einen heftigen Riss bekommen, der sich Zeit seines Lebens auch nie mehr kitten ließ. Ganz im Gegenteil sogar.
Zu allem Überfluss wurden alle seine Begleiter, die mit ihm am Schirlenhofritt teilgenommen hatten, für ihre Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Durchweg alle – bis auf einen: Ferdinand von Zeppelin ging leer aus. Was das zu bedeuten hatte, ließ sich unschwer beurteilen. Dass man ihm in diesem Krieg noch größere Kommandos anvertrauen würde, eine solche Hoffnung konnte er nach dieser neuerlichen Demütigung endgültig begraben. Da war nichts mehr zu machen. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als ohne jedes Aufbegehren einfach seine soldatische Pflicht zu erfüllen und sich damit der Stellung eines württembergischen Kavallerieoffiziers als würdig zu erweisen.
Keine sechs Wochen nach seinem Teufelsritt kam es bereits zu jener Schlacht, die den Kriegsverlauf entscheidend beeinflusste. Am 1. und 2. September 1870 prallten bei Sedan die beiden Armeen aufeinander – die Schlacht endete nicht nur mit einer demoralisierenden Kapitulation der französischen Truppen, sondern auch mit der Gefangennahme von Kaiser Napoleon III. Und kaum hatte die schockierende Kunde von der Kapitulation Paris erreicht, da erklärten die Franzosen den Kaiser für abgesetzt und riefen die Republik aus, die sich sofort zum weiteren Kampf gegen die Deutschen rüstete. Kaiserin Eugenie floh bei Nacht und Nebel nach England.
Auch Ferdinand von Zeppelin hatte an den Kämpfen teilgenommen und das erbitterte Ringen unverletzt überstanden. Niemals hätten sie damit gerechnet, dermaßen rasch eine kriegsentscheidende Schlacht zu gewinnen! Und überdies noch den Kaiser der Franzosen gefangen zu setzen. Im Gefühl des überbordenden Siegestaumels, der alle deutschen Soldaten in Sedan gleichermaßen erfasst hatte, schrieb er einen in seinem ersten Teil euphorischen Brief nach Hause, der in seiner Fortsetzung aber die zwiespältigen Gefühle nicht unterdrücken mochte, die ihn kurz nach dem Triumph beschlichen haben: »Es ist ein Großes, den größten Tag des Jahrhunderts miterlebt zu haben! Fühle mit mir die Eindrücke! Ich ritt zur Höhe, wo der König von Preußen stand. Die sinkende Sonne sandte ihre letzten Strahlen herauf. Unten lag die malerische Feste, drinnen dicht gedrängt die zertrümmerte Armee Frankreichs, in weiten Kreisen ringsumher die deutschen Heere, ausbrechend in unendlichen Jubel: »Der Kaiser ist gefangen!«. Musikchöre fallen ein und die Batterien schreiben mit donnernden Salven
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