Ferien mit Oma
vor.
Plötzlich leuchteten ihre Augen auf. „Direktor, ich werde heute abend nicht auf Sultan reiten, ich werde auf Max reiten.“
Der Direktor betrachtete Max zweifelnd. Neben dem stattlichen Schimmel machte das magere braune Pferd keine sehr gute Figur. „Aber Kindchen“, sagte der Direktor, „heute ist Galavorstellung. Der Herr Bürgermeister kommt und andere einflußreiche Leute. Heute muß alles wie am Schnürchen laufen. Ein fremdes Pferd kann alles durcheinander bringen.“
Mariettas dunkle Augen blitzten zornig. „Ich will aber!“ rief sie.
„Aber Kindchen...“, fing der Direktor wieder an. Marietta stampfte mit dem Fuß auf. „Nun gut, dann trete ich heute abend überhaupt nicht auf!“
Hilflos zuckte der Direktor die Achseln. „Also mach was du willst, aber du trägst die Verantwortung dafür, wenn etwas schiefgeht.“
Marietta stieß einen kleinen Juchzer aus, fiel erst dem Direktor um den Hals und dann Max und sagte unter Lachen und Weinen: „Es wird nichts schiefgehen, Direktorchen. Ich werde den ganzen Nachmittag mit ihm proben. Sie werden sehen, was für ein feuriges Roß er heute abend ist!“
Als die Pieselangs endlich ohne Max zu ihrem Wagen zurückkehrten, waren die Pfannkuchen kalt geworden und schmeckten wie Leder. Aber niemandem fiel das auf. Alle waren sehr aufgeregt und freuten sich auf den Abend.
In dem großen, grauen Zelt summte es wie in einem Bienenhaus. Marietta hatte den Pieselangs Plätze in der ersten Reihe reserviert. Dort saßen sie dicht an der Rampe und konnten alles genau sehen ; die dressierten Löwen, die Clowns, die Jongleure und die chinesische Akrobatengruppe, die radfahrenden Affen und den Zauberer. Als der Zauberer seinen Zaubertisch fortgeräumt hatte, betraten zwei Clowns die Manege, ein großer dünner und ein kleiner dicker. Der große dünne spielte Mundharmonika, während er kopfstand, der kleine dicke blies dazu auf einer Trompete. Das war dem langen dünnen gar nicht recht. Er sprang auf die Füße und jagte den Dicken davon. Der spielte immer weiter, während sie um die Manege herumliefen. Schließlich hatte der dünne ihn erwischt, ergriff einen Eimer mit Seifenwasser und goß den Inhalt in die Trompete. „Blupp“ machte es, „Blupp“ und Seifenblasen stiegen aus dem Trichter empor.
Dann kippte der dicke das Seifenwasser aus der Trompete und setzte sie wieder an den Mund. Während sich der dünne die Ohren zuhielt, spielte er. Es klang etwas feucht und etwas falsch, aber doch deutlich erkennbar „Hopp, hopp, hopp, Pferdchen lauf Galopp“.
In diesem Augenblick ritt eine junge Dame herein, eine richtige Zirkusprinzessin, in einem leuchtend blauen, mit glitzernden Steinen besetzten Kleid, mit einer funkelnden Krone auf den schwarzen Locken. Sie war wunderschön mit ihren großen dunklen Augen und den roten Wangen. Schön war auch das Pferd, auf dem sie ritt. Stolz hielt es den Kopf hoch. Seine dunkelbraune Mähne und der Schwanz waren mit silbernen Bändern durchflochten, der Sattel und die Zügel aus rotem Leder. In einem leichten Galopp ritt sie um die Manege. Die Pieselangs trauten kaum ihren Augen. Das schöne, stolze Pferd war Max, und die Zirkusprinzessin war Marietta. Die beiden schienen niemals getrennt gewesen zu sein, so wunderbar waren sie aufeinander eingespielt. Marietta ließ Max marschieren, über Hürden springen und schließlich Walzer tanzen. Danach sprang sie mit den Füßen auf seinen Rücken, ritt im Stehen, dann auf einem Bein und sogar im Handstand. Der dünne Clown hielt ihr einen großen Reifen hin. Sie sprang vom Pferderücken hindurch und landete sicher und graziös wieder auf dem Sattel. Zum Schluß stellte Max sich auf die Hinterbeine, ohne seine zierliche Last aus dem Sattel zu verlieren, und blickte mit hoch erhobenem Kopf in die Runde. Der Beifall prasselte. Brigitte mußte vor Rührung schlucken, und Oma wischte sich die Augen. So schön war es.
Am nächsten Morgen wollte Marietta Max zu Pieselangs zurückbringen. Jan, Brigitte und Peter warteten gespannt, bis sie das Klappern von Hufen hörten. Aber nicht das Pferd erschien zuerst, sondern Marietta, die einen breiten Kinderwagen vor sich her schob. Sie sah in ihrem einfachen blauen Rock und der weißen Bluse nicht mehr wie eine Zirkusprinzessin aus, sondern wie eine hübsche junge Mutter, was sie auch war. Voll Stolz zeigte sie den erstaunten Pieselangs in dem Kinderwagen ein reizendes Zwillingspärchen. Sie lagen, die Rücken einander zugekehrt, rund
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