Ferien mit Patricia
eigenes Ich, dem er die Hand zum Abschied reichte, vielleicht für immer...
Die Zeiger der Uhr über dem Auskunftsschalter in der großen Wartehalle rückten gerade auf die Zwei, als Jerry eintrat und auf Eagles stieß, der ihn dort erwartet hatte. Der hochgewachsene Pilot grinste verständnisvoll.
»Da bist du ja, Junge! Ich wußte, daß du auf die Sekunde pünktlich sein würdest. Mein >großes Tier< ist schon seit zehn Minuten da. Wir starten in einer halben Stunde. Und wie war es?«
Jerry hatte nicht mehr daran gedacht, daß er Eagles erzählen mußte, daß ihn sein Freund ja nur deswegen auf den Flug über den Ozean mitgenommen hatte, damit er Catharine besuchen könne. Er wollte gerade sagen: »Es war fein...«, als er glücklicherweise merkte, daß Eagles schon ganz vom Gedanken an den vor ihnen liegenden Flug gefangen war. So sagte er, als sie den Pilotenraum durchschritten:
»Das Wetter scheint ja sehr gut zu sein. Wir werden eine Brise haben.«
Ein wenig später saß Jerry angegurtet auf seinem Sitz in dem großen Transportflugzeug. Sie rollten das Flugfeld hinunter und über die Startbahn. In der Ferne erblickte Jerry die Lichterreihe der Queensboro-Brücke und die dunklen Umrisse der Wolkenkratzer im nie verlöschenden nächtlichen Glanz von New York.
Doch er war so erschöpft, daß die Aussicht ihn völlig kalt ließ. Nie im Leben war er so müde gewesen, nicht einmal nach einem anstrengenden Einsatz. Jetzt war es Sonntagmorgen. Er versuchte nachzurechnen, wann er zuletzt einige Stunden geschlafen hatte. Entweder war es Donnerstag oder Freitag gewesen... Wann war nur Pat wieder nach Kenwoulton gefahren? Es schien ihm bereits Jahre zurückzuliegen. Er war schon fast eingedämmert, als die dumpfe Stimme vom Kontrollturm aus Eagles Kopfhörer erklang: »ATC, C 87, am östlichen Ende des Feldes, steigen, vorwärts...«
Lichter flitzten am Fenster vorbei... die Motoren dröhnten... Er schlief bereits, bevor die Räder den Boden verlassen hatten und in den Rumpf des Silbervogels eingezogen worden waren.
Jerry schlief während des ganzen Flugs bis Prestwick, wo sie durch die Wolkendecke hinunterstießen und in einem Sprühregen landeten. Dann übergab ihn Eagles einem englischen Piloten, der einen Moskito-Bomber, der vierhundert Meilen in der Stunde zurücklegte, nach dem Basingwell-Stützpunkt in der Nähe von Kenwoulton zu bringen hatte. Sie starteten sofort, und fünfundfünfzig Minuten später berührten die Räder wieder den Boden. Dann gingen sie hinüber zu einem Jeep und fuhren in die Stadt, wo ihn der Pilot mit den Worten absetzte:
»So, hier steigst du aus. Ich muß nämlich weiter. Du wirst wohl einen von deinen Leuten finden, der dich nach Gedsborough mitnimmt. Cheerio!«
Es war kurz vor neun Uhr abends, als Jerry in der dunklen Wicklegate-Road vor dem Wirtshaus »Krone und Wappen« stand. Es regnete immer noch.
Ziellos wanderte Jerry durch den Regen und die Dunkelheit, die nur durch die kleinen roten und grünen Kreuze der Verkehrslichter und den matten Glanz der stark abgeschirmten Straßenlampen und die gespensterhaften Blitze der abgedunkelten Autoscheinwerfer etwas gemildert wurde. Es roch nach Sommerregen, Torf und Bier. Auf dem Pflaster war das Schlürfen von vielen hundert Füßen zu vernehmen, und die schattenhaften Umrisse von einzelnen Paaren bewegten sich in einem ständigen Strom durch das Dunkel.
Er ging einige Schritte, blieb dann stehen, ging weiter wie ein Blinder, der sich seinen Weg sucht. Seine bleierne Müdigkeit war nach dem langen Schlaf verflogen, und er fühlte sich ebenso wach wie verwirrt. Wo war er? Was war das für eine Welt? Wer waren diese verhüllten Schatten, die plötzlich die Dunkelheit belebten, in die er erst vor einem Augenblick aus der Helle seines Heims in Westbury getreten war?
Sicherlich konnte er, wenn er nur das Tor fand, das er eben durchschritten hatte, wieder in das getäfelte Arbeitszimmer seines Vaters zurückkehren. Das Kratzen von Skippers Pfoten auf dem Parkett klang ihm noch im Ohr. Und plötzlich sah er mit wachsender Klarheit das runde Gesicht und die aufgerissenen Augen Restons vor sich, und er hörte das Zischen der Sodaflasche, als sein Vater das Whiskyglas füllte, hörte das dumpfe Rollen der Autoräder auf dem Parkway. Manhattan lag gleich gegenüber jener Brücke! Er brauchte nur um die nächste Ecke zu biegen, um den Schein New Yorks zu sehen und die Lichterkette auf der Queensboro-Brücke.
Ein Paar streifte ihn fast, und
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