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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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zu verziehen, die Hände in den Hosentaschen. Schwarze Lederjacke, schwarze Jeans, schwarze Stiefel.
    Francescos Blick wandert zwischen ihr und mir hin und her.
    »Ich wollte mal sehen, wie Sie leben«, sagt Tessa.
    »Bitte komm herein.«
    Tessa rührt sich nicht von der Stelle, Francesco auch nicht.
    »Wussten Sie, dass Ihre Frau eine Tochter hat?«
    »Mein Mann versteht kein Deutsch.«
    »Did you know that your wife had a daughter?«
    Francesco nickt.
    »Er weiß es noch nicht sehr lange«, sage ich leise.
    »Weren’t you shocked about the news? It’s quite unusual not to know that your wife has a child.«
    Francesco presst die Lippen aufeinander.
    »Do you have any children?«
    »Tessa, lass uns drinnen weiterreden«, sage ich. »Bitte.«
    Sie beachtet mich nicht.
    »I wanted to see how your wife lives«, sagt Tessa und fährt mit der Stiefelspitze über den Marmorfußboden. »Not bad. It’s an expensive area, isn’t it?«
    »Listen«, sagt Francesco. »Have you come to ask for money?«
    »Money?« Der Gedanke scheint Tessa zu gefallen.
    »Bist du verrückt?«, platzt es aus mir heraus. »Du kannst Tessa doch kein Geld anbieten. Sie ist gekommen, um mit mir zu reden. She has come to talk to me, not to ask for money.«
    »How do you know that?«, fragt Tessa und grinst. »Money is always useful.«
    Francesco zieht sein Portemonnaie aus der Hosentasche und gibt ihr vierhundert Euro.
    Einen Moment lang schaut sie ungläubig auf die Scheine, dann steckt sie sie ein.
    »Tessa, ich will dich nicht mit Geld abspeisen. Ich will mit dir reden.«
    Sie zuckt mit den Achseln, dreht sich auf dem Absatz um und läuft die Treppe hinunter.
    Ich starre Francesco an. »Wie konntest du das tun?«
    Er antwortet nicht, geht ins Gästezimmer und schließt die Tür hinter sich.
    Ich stürze hinter Tessa her, falle beinahe auf den untersten Stufen, sehe sie in einen alten, roten Renault mit Hamburger Kennzeichen einsteigen. Jemand hat auf sie gewartet.
    Ich laufe die Treppe hinauf, zurück in die Wohnung, wähle Tessas Handynummer. Sie nimmt nicht ab.
    »Es tut mir leid, was eben passiert ist«, spreche ich auf ihre Mailbox. »Mein Mann kann mir nicht verzeihen, dass ich ihm all die Jahre nichts von dir erzählt habe. Deshalb hat er so seltsam reagiert. Ich möchte dich treffen, am liebsten noch heute. Ich kann überall hinkommen. Bitte melde dich.«
    Ich warte.
    Sie ruft nicht zurück.
    Ich greife nach der Zeitung, fange an zu blättern, halte es nicht aus, einfach nur hier zu sitzen. Ich werde sie suchen. Was brauche ich? Den Stadtplan, das Navi, mein telefonino, den Autoschlüssel.
    Ich ziehe mir Turnschuhe an.
    Die Tür des Gästezimmers öffnet sich. »Wo willst du hin?«, höre ich Francesco sagen.
    Ich blicke hoch. »Das fragst du noch?«
    »Hast du einen Anhaltspunkt, wo … deine Tochter sein könnte?«
    »Nein.«
    »Dann ist eine Suche doch völlig sinnlos.«
    »Deine Meinung interessiert mich nicht. Ich tue, was ich für richtig halte«, entgegne ich und verlasse die Wohnung.
    »Judith!«, ruft er mir nach.
    In der Tiefgarage gibt es nur eine Notbeleuchtung. Ich taste mich zu meinem Wagen vor.
    Er springt nicht an. Ist die Batterie leer? Ich bin seit Wochen nicht gefahren. Soll ich Francesco fragen, ob er mir sein Auto leiht? Ich probiere es noch einmal. Es klappt.
    Ist Tessa mit ihrem Freund nach Rom gekommen? Wo könnten sie sein? Wo bin ich hingegangen, bevor ich Francesco kennengelernt habe? Wenn ich meinen freien Tag hatte und Freunde treffen wollte? Auf den Campo dei Fiori oder den Ponte Sant’Angelo. Die Piazza Navona war uns immer zu touristisch.
    Ich fahre über den Tiber, gerate in einen Stau. Warum habe ich nicht den Bus genommen?
    Ich parke in einer Nebenstraße vom Corso Vittorio Emanuele  II , im Halteverbot. Menschenmengen drängen sich durch die schmalen Gassen. Der Campo dei Fiori ist so überfüllt, dass ich gleich wieder umkehre. Auf der Piazza Navona gelingt es mir mit Mühe, bis zum Vierströmebrunnen vorzudringen. Reisegruppen entdecken Rom bei Nacht, ein Feuerschlucker unterhält sein Publikum, eine silberne Figur verharrt regungslos auf einem Podest. Und überall wird fotografiert.
    Plötzlich sehe ich, wie sich eine junge Frau mit langen, blonden Haaren auf den Brunnenrand setzt. Sie hat die richtige Größe. Ich gehe auf sie zu, sie dreht sich um, schaut mich fragend an.
    »Entschuldigung«, murmele ich und verlasse den Platz.
    Ich komme am Caffè della Pace vorbei, laufe hastig weiter.
    Bis

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