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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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allerdings sofort über Mr. Willoughby, der es sich auf dem Boden bequem gemacht hatte. Er grunzte überrascht, und als er sah, daß nur ich es war, kroch er in die Kajüte. Er überhörte Fergus’ Schimpfworte, rollte sich unter dem Tisch ein und schlummerte sofort selig weiter.
    Meine Kajüte befand sich direkt gegenüber, aber ich blieb kurz stehen, um die frische Luft zu genießen, die vom Deck herunterwehte. Eine Vielzahl von Geräuschen drang an mein Ohr: das Ächzen
von Holz, das Knattern der Segel und das leise Echo eines Rufes irgendwo an Deck.
    Trotz des Lärms und der kühlen Luft, die vom Niedergang hereinzog, schlief Marsali tief und fest. Auch recht, dann brauche ich wenigstens kein verlegenes Gespräch mit ihr zu führen.
    Unwillkürlich stieg eine Welle des Mitgefühls in mir auf: So hatte sie sich ihre Hochzeitsnacht wahrscheinlich nicht vorgestellt. Es war zu kalt, um sich auszuziehen; also kroch ich vollständig bekleidet in die kurze Koje. Das Zischen der Wellen, die nur einen halben Meter unter meinem Kopf gegen den Schiffsrumpf schlugen, empfand ich merkwürdigerweise als tröstlich. Dem Lied des Windes und dem leisen Würgen von jenseits des Ganges lauschend, schlief ich friedlich ein.
     
    Die Artemis war ein verhältnismäßig sauberes Schiff, aber wenn man zweiunddreißig Männer und zwei Frauen auf einem Raum von fünfundzwanzig Metern Länge und acht Metern Breite zusammenpfercht - nebst sechs Tonnen Felle, zweiundvierzig Fässern Schwefel und ausreichend Kupfer- und Zinnblechen, um die Queen Mary zu ummanteln -, kommt die Hygiene zwangsläufig zu kurz.
    Am zweiten Tag hatte ich bereits eine Ratte aufgescheucht - eine kleine Ratte, wie Fergus betonte, aber zweifelsfrei eine Ratte. Sie steckte in dem Frachtraum, in dem mein Medizinkasten beim Beladen versehentlich verstaut worden war. In meiner Kajüte hörte ich nachts ein leises Rascheln - als ich die Laterne anzündete, zeigte sich, daß ein paar Dutzend mittelgroße Küchenschaben dafür verantwortlich waren, die in panischer Flucht in den Schatten hasteten.
    Die Toiletten, zwei kleine Galerien zu beiden Seiten des Bugs, bestanden aus ein paar Brettern mit einem strategisch günstigen Schlitz dazwischen. Sie hingen fast drei Meter über den wogenden Wellen, so daß der Benutzer oft im unpassendsten Moment einen Spritzer kaltes Meerwasser abbekam. Ich vermutete, daß diese Tatsache nebst der Diät aus Pökelfleisch und Schiffszwieback bei den Seeleuten zu chronischer Verstopfung führte.
    Der Navigator, Mr. Warren, teilte mir voller Stolz mit, daß jeden Morgen die Decks geschrubbt, die Messingteile poliert und alles
auf Vordermann gebracht wurde, was mir durchaus anerkennenswert erschien. Aber alles Schrubben und Scheuern konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß vierunddreißig Menschen diesen begrenzten Raum bewohnten und nur einer von uns badete.
    Daher war ich vollkommen verblüfft, als ich am zweiten Tag die Tür zur Kombüse öffnete, um von dort kochendes Wasser zu holen. Ich hatte erwartet, daß es dort genauso schmuddelig und düster aussehen würde wie in den Kajüten und den Frachträumen, wurde aber statt dessen förmlich geblendet. Vom Abglanz der Sonnenstrahlen, die durch ein Gitterfenster an der Decke auf eine Reihe von polierten Kupfertöpfen fielen. Ich blinzelte. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich, daß die Wände der Kombüse mit eingebauten Regalen und Schränken verkleidet waren, die selbst gegen rauhen Seegang gefeit schienen.
    Blaue und grüne Gewürzflaschen, jede in einem Schutzmantel aus Filz, vibrierten leise in ihrem Regal über den Töpfen. Eine ganze Phalanx von Messern, Hackbeilen und Fleischspießen prangte an der Wand - es waren genug vorhanden, um im Falle eines Falles einen ganzen Wal zu zerlegen. Am Schott hing ein Doppelregal mit Gläsern und flachen Tellern, auf denen die oberen Enden von Rüben zum Austreiben lagen. Auf dem Herd stand ein riesiger Topf, der Wohlgerüche verströmte. Und inmitten dieser makellosen Pracht stand der Koch und musterte mich mißgünstig.
    »Raus«, sagte er.
    »Guten Morgen«, erwiderte ich so freundlich wie möglich. Ich heiße Claire Fraser.«
    »Raus«, wiederholte er rauh.
    »Ich bin Mrs. Fraser, die Gattin des Frachtaufsehers. Auf dieser Reise bin ich die Schiffsärztin«, entgegnete ich und erwiderte seinen boshaften Blick, so gut ich konnte.«Ich brauche sechs Fässer kochendes Wasser, wenn’s genehm ist, um die Toiletten zu

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