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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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glitschigen Flüssigkeit, die aus ihnen herausspritzte und nach und nach den Eimer füllte. In denselben Eimer tauchte man dann eine Tasse, die man ausschlürfen musste: eine ganze Tasse Milch, die schaumig, aber vor allem noch warm war - und ich habe warme Milch immer schon verabscheut. Nach den ersten Tagen, an denen ich sie stets erbrochen hatte, rührte Vitina einen ordentlichen Schuss Kaffee hinein, und so erinnerte sie fast an Cappuccino - wohl weil ich selten welchen getrunken habe (die Großmutter ist zu allem Überfluss auch noch knauserig, und so gab es bestenfalls am Sonntag mal einen, wenn ich mit einem meiner zu Blödsinn aufgelegten Onkel zur Piazza hinunterging) oder weil auf Vitinas Tisch immer ein Panettone steht, der sich vom Duft her nicht so sehr vom Buondì Motta unterscheidet. Nach Buondì Motta bin ich nämlich verrückt, und man kommt sich in einem kleinen Nest im Süden dieses Landes, das noch weit von der flächendeckenden Versorgung mit Knabberzeug entfernt ist, schon privilegiert vor, wenn man sich aus dem Automaten in der Bar einen dieser Panettoni herausfischt. Und wie groß ist erst der Genuss, wenn man ihn aus dem Zellophan befreit, das man nie aufbekommt, sondern mit den Zähnen aufreißen muss, und einem dann dieses festlich duftende Aroma in die Nase steigt!
    Ich fragte Vitina, warum sie im Juni immer noch Panettoni von Weihnachten übrig hatte. Sie lächelte verschmitzt und führte mich in ihr Schlafzimmer, Fausto immer im Schlepptau. Dort war alles
durchdrungen vom Geruch nach kandierten Früchten und Hefeteig, und da waren sie dann, in einem polierten Holzschrank mit Spiegeln auf den mittleren Türen: eine glitzernde Masse, Dutzende und Aberdutzende von Panettoni in ihren goldenen Schachteln, übereinandergestapelt bis unter die von der Sonne bestrahlte Decke. »Die hat Piètr aus Milàn mitgebracht«, erklärte sie stolz. »Iss’n tüchtiger junger Mann. Hat sich’ne Stellung verschafft, bei der Alemagna, und da ham sie ihn gleich zur Hallenaufsicht gemacht. Ehrlich gesagt, hab ich gemeint, dass er mal was Heiligeres machen tät.«
    Und sie erzählte mir, wie sie als junge Frau jeden Morgen zu Fuß ins Dorf und in die Kirche gegangen war, auch wenn es schneite und es viel Arbeit im Haus gab, und dass sie in der Nacht von einem blonden jungen Mann geträumt hatte - »Piètr, genau!« -, der die Messe las, »aber mit’nem ganz weißen Gewand, wie der Papst, umgeben von Licht und Farben und’nem Haufen Leute rundum. Ich hab ihn sogar nach San Giovann Rotonn geschickt, zum Padre Pio, und hab geglaubt, der Herr hätt ihn berufen, aber nach’nem Jahr sagt er:’S hat nicht geklappt. Jetzt hab ich Fausto, und wer weiß: Der Herr kann auch ihn berufen, und dann bin ich die Erste, die das merkt … Natürlich, Piètr hätt auch vom Typ her zum Priester gepasst, aber er hat mir gesagt, dass er sich wie’n Künstler fühlt, und ich hab mich bekreuzigt, aber dann hat der Padre ihm erst mal’ne Posaune gegeben. Dann hat er in der Blaskapelle gespielt. Dann hat er auch davon die Nase voll gehabt. Dann iss er nach Milàn gegangen, und nach nicht mal’nem Monat iss er zur Alemagna, und da haben ihn alle so gern, dass sie ihm diese vielen Panettoni schenken. Aber er iss zu weit weg, und für eine Mamma iss das’n Stachel im Herzen.«
    Sie hielt einen Moment inne: Selbst sie hatte gemerkt, dass sie eine Taste angeschlagen hatte, die man bei mir, einem armen Waisenkind, besser nicht anschlagen sollte. Aber dann nahm sie den Faden gleich wieder auf. »Er iss so elegant, wenn er zurückkommt, dass man nicht glaubt, dass er der Sohn von mir und Genuario iss.

    Aber ich hoff ja bloß, dass er nicht so’n leichtfertiges Weib aufgabelt, das ihn mir verdirbt, denn Euer Wohlgeboren sind noch jung und können es nicht verstehen, aber die Weiber aus der Stadt verderben die jungen Burschen … Aber wieso muss ein braver Sohn eigentlich in der Fremde arbeiten, wenn er doch im eigenen Dorf arbeiten kann? Ich bin schon zu Donnilde gegangen, ob sie mir die Gnade erweist, ihn in die Ölfabrik … Wieso fragt nicht Ihr Eure Großmutter? Wieso nicht? Wenn einer so’n braver Kerl iss, und …?« Jeden hätte man so zur Strecke bringen können! Tatsächlich merkte ich, wie mich die übliche Schläfrigkeit übermannte, und schlafen tut gut, das leugne ich nicht. Nach der ersten Zeit voller Überraschungen hielt ich die kleinen Freuden des Landlebens nicht mehr aus; erstarrt, wie ich war, ertrug ich den Rest

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