Fesseln der Leidenschaft
haben auch gelogen, und es machte keinen Unterschied. Geld ist Geld.«
»Dann muß es an der Art dieses Jobs liegen – daran, daß eine Dame mit im Spiel ist.«
»Vielleicht – zusammen mit anderen Gründen. Aber ob Ranulf jetzt schon entschlossen ist … «
»Wir sind doch hierhergekommen«, sagte Lanzo. »Also muß er wohl eine Entscheidung getroffen haben. Und er wird fünfhundert Goldmünzen nicht herschenken, oder?«
Die Gesprächspartner schwiegen, denn sie sahen, daß Ranulf sich ihnen näherte. Jetzt erst bemerkte der Junge, daß er Lady Ella noch im Arm hielt, und jetzt erst ließ die Katze ein herzzerreißendes Miau hören, damit Ranulf denken sollte, sie sei am Verhungern. Das verwöhnte Biest! Manchmal hätte Lanzo ihr am liebsten den räudigen Hals umgedreht, doch Ranulf hätte jeden bei lebendigem Leib gehäutet, der ihr nur ein Haar hätte krümmen mögen. Dieses häßliche, braune Ding. Wie konnte ein Mensch nur so etwas Häßliches lieben?
»Du hast meine Lady noch nicht gefüttert?«
»Ah, nein Sir«, mußte Lanzo zugeben.
»Vielleicht habe ich dich nicht richtig geweckt?«
»Ich wollte gerade gehen«, piepste Lanzo und hielt eine Hand schützend vor sein bedrohtes Hinterteil, bis er aus Ranulfs Reichweite war.
Ranulf lachte und ging in sein Zelt. Searles und Erics Blicke trafen sich, und die Burschen grinsten.
Searle sprach aus, was sie beide dachten, als sie Ranulfs Lachen hörten. »Er hat sich entschieden. Wir werden die Dame zu ihrem neuen Ehemann geleiten. Lanzo hatte recht. Fünfhundert Münzen sind zuviel zum Wegwerfen, wenn ihr Besitz den Besitz von Land bedeutet. Und Ranulf denkt doch nur an Land.«
»Dann war er möglicherweise nie unentschlossen und wollte Rothwell nur nervös machen.«
»Ja, das kann sein. Er verabscheute diesen alten Lord zutiefst. Wir hätten Sir Walter fragen sollen … «
»Was hättet ihr ihn fragen sollen?« Das war Walters ruhige Stimme, die hinter ihren Rücken erklang.
Die drei jungen Männer drehten sich um und sahen sich Ranulfs Pflegebruder gegenüber, der ihre verlegenen Gesichter mit einem heiteren Blinzeln seiner dunkelbraunen Augen quittierte.
Es gab keine zwei Männer, die so verschieden waren wie Ranulf Fitz Hugh und Walter de Breaute, im Temperament wie auch im Aussehen, und dennoch hatten sie vom ersten Tag ihrer Begegnung eine Zuneigung wie echte Brüder füreinander empfunden. Bei der eindrucksvollen Größe von einem Meter fünfundachtzig überragte Walter die meisten Männer, doch Ranulf war noch fünfzehn Zentimeter größer, ein wahrer Riese. Walter wirkte nachtdunkel mit seiner olivfarbenen Haut und dem schwarzen Haar. Ranulf verbreitete Sonnenschein – mit goldener Haut und goldenem Haar. Ranulf sprach laut und schroff, selbst wenn er guter Laune war. Walter hatte eine leise
Stimme, die zu verstehen man sich manchmal anstrengen mußte. Walter lachte über den ärmlichsten Witz. Ranulf lachte fast nie.
Walter besaß ein sorgloses Gemüt. Als drittem Sohn eines unbedeutenden Barons gehörte ihm ebensowenig Land wie Ranulf, doch der Unterschied lag darin, daß es ihm gleichgültig war. Er hätte sich im Gefolge eines großen wie eines unbekannten oder auch gar keines Lords immer gleich glücklich gefühlt. Er hatte keine Ambitionen, nicht das dringliche Bedürfnis, sich einen Namen zu schaffen oder Reichtum und Macht zu erlangen. Seine älteren Brüder liebten ihn, also würde er immer einen Unterschlupf finden, falls er einmal in Not geraten sollte.
Ranulf hatte nicht diesen Rückhalt. Mochte sein Vater auch ein berühmter Lord sein, der ihn aus dem Dorf geholt hatte, in dem er die ersten neun Jahre seines Lebens von seinem Stiefvater aufgezogen worden war. Mochte dieser Lord ihm eine Pflegestelle für das Training zur Ritterschaft besorgt haben – Ranulf haßte den Mann und würde ihn nie um etwas bitten, selbst dann nicht, wenn sein Leben davon abhinge.
Ranulf hatte kein Zuhause, doch es war sein brennender Wunsch, diesem Manko abzuhelfen. Er kannte nur dieses eine Ziel, und es erfüllte sein ganzes Dasein. Er arbeitete nur darauf hin, ließ sich von jedem anheuern, ganz gleich, um welche Aufgabe es sich handelte, wie schwierig sie war, und welche Gefühle ihn dabei bewegten. Sein Ehrgeiz gestattete ihm keine Skrupel. Ranulf hatte für irgendwelche Lords Burgen erstürmt, Kriege für sie geführt, Diebe aus ihren Städten und Gesetzlose aus ihren Wäldern vertrieben. Was immer er tat – es mißlang nie. Dadurch hatte
Weitere Kostenlose Bücher