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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Spiegelbild zeigte ihr keine glückstrahlende Braut, sondern ein bleiches Antlitz mit dunklen Schatten unter den Augen. Das Herz war ihr schwer, ihr Inneres fühlte sich kalt und wie abgestorben an. Auf das leise Klopfen ihres Vaters antwortete sie mit einem gepressten: »Komm herein.« Lucas trug einen grauen Anzug, sein weißer Schnurrbart war frisch getrimmt und gezwirbelt.
    »Du siehst hübsch aus«, meinte er.
    »Eher wie eine Brautjungfer als eine Braut.«
    Lucas überhörte den scharfen Ton seiner Tochter, wippte auf den Fersen und musterte sie weiterhin anerkennend.
    »Trägst du einen Schleier?«
    »Ich habe mich dagegen entschieden.« Eine Entscheidung, die sie mittlerweile bereute. Sie hätte sich wesentlich wohler gefühlt, ihr Gesicht hinter einem Schleier zu verbergen.
    »ja, so ist es vermutlich besser«, pflichtete Lucas ihr bei und wandte sich zum Gehen. »In fünf Minuten müssen wir los.«
    »Fein. Ich bin bereit«, hörte sie sich sagen, während eine kleine Stimme in ihr schrie: Nein, ich bin nicht bereit!
    Sie saß in der Falle. Sie musste den Weg gehen, den sie beschritten hatte. Andere vor ihr hatten das Gleiche getan und Partner geheiratet, die sie nicht liebten, und wenn sie Daniel schon nicht bekam, so bekam sie wenigstens einen anderen.
    In der Equipage auf dem Weg zur Kirche räusperte Lucas sich mehrmals, ehe er zum Sprechen ansetzte. »Lucy … wenn ein Mädchen heiratet, ist es die Pflicht der Mutter, ihr einiges über die Ehe zu erzählen … Ungeachtet der Erfahrungen … die du vielleicht schon gemacht hast … gibt es Dinge, die eine Braut wissen muss. Ich hoffe, du hast meinen Rat befolgt und dem Pfarrer einige Fragen gestellt.«
    Das Gesicht ihres Vaters war hochrot angelaufen. Jetzt kam er auf das heikle Thema zu sprechen, zehn Minuten vor der Trauung, jetzt, da keine Zeit blieb, um ihm Fragen zu stellen, die er höchst ungern beantwortet hätte. »Ich habe mit ihm gesprochen«, erwiderte sie und senkte den Blick auf das Hochzeitsbouquet in ihrer Hand. »Er gab mir eine Liste von Bibelsprüchen zum lesen. Ich habe sie mir gestern Abend vorgenommen … Ich weiß jetzt alles … denke ich.«
    »Sehr gut.« Sichtlich erleichtert gab Lucas sich damit zufrieden.
    Lucy blickte düster auf den Blumenstrauß. In Wahrheit hatten ihr die Bibelverse nicht den Aufschluss gegeben, den der Pfarrer ihr versprochen hatte. Es war viel von Gehorsam die Rede, ›dem Manne untertan‹ sein und natürlich von ehelicher Treue. Doch die Einzelheiten, die sie interessiert hätten, wurden mit keinem Wort erwähnt.
    Sie hatte eigene Schlussfolgerungen gezogen aus ihren Erfahrungen und aus Artikeln in Godey’s Modejournal.
    Zwischen Gesellschaftsklatsch und Berichten über die neueste Pariser Mode gab es Kurzgeschichten, die sie vage darüber aufklärten, was sie erwartete. In ›Philomenas Dilemma‹ gab es beispielsweise eine aufregende Passage, als der Held Philomena in heftiger Leidenschaft küsste und sie ›an die Brust zog‹. Danach ›führte er Philomena in das Reich der Sinne ein und erschloss ihr das Tor ihrer Weiblichkeit‹. Lucy hatte eine verschwommene Vorstellung davon, was Philomena erlebte, nachdem der Held sie in die Arme geschlossen hatte. Schließlich war es Männern unmöglich zu verbergen, was mit ihnen geschah, wenn sie eine Frau zu eng und zu lange in den Armen hielten.
    Heath Rayne verdankte Lucy ihr Wissen, was zu Beginn der Hochzeitsnacht geschah, wobei ihr der Rest noch ein Rätsel war. Bei dem Gedanken, mit ihm in einem Bett zu liegen, krampften sich ihr die Eingeweide zusammen.
    Der Pfarrer, seine füllige, lächelnde Gemahlin und seine kleine Tochter warteten mit Heath in der Kirche. Lucas hielt seiner Tochter das Kirchenportal auf, dann stand Lucy ihrem zukünftigen Gemahl gegenüber und blickte angstvoll zu ihm auf. Er sah blendend aus in einem hellen, tadellos sitzenden modischen Anzug mit flachen Revers und schmalen Ärmeln ohne Aufschläge. Alles war perfekt an ihm vom dunkelblonden Lockenkopf bis zu den glänzend polierten, seitlich geknöpften Schuhen. Zu seiner Eleganz passte seine lässige Haltung – als sei er zu einem Picknick geladen! Die Art, wie er sie ansah, vermittelte ihr den Eindruck, er wisse, wie bang ihr zumute war. Ich wette, er denkt, ich mache in letzter Sekunde einen Rückzieher, dachte sie und reckte entschlossen das Kinn.
    Die kleine Hochzeitsgesellschaft nahm vor dem Altar Aufstellung. Alle waren aufgeregt, nur Heath war die Ruhe

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