Fesselnde Entscheidung (German Edition)
Toilette helfen?«
»Ja, sicher, haben Sie das Gefühl, dass was kommt?«
Sie nickte.
»Das ist ein gutes Zeichen«, sagte die Schwester.
Die drei Tropfen waren für Elisa ein richtiges Erfolgserlebnis. Und wieder fragte sie sich, als die Schwester ihr eine Windel umlegte, wie sie in ihrem früheren Leben bloß alles als gegeben hatte hinnehmen können. Warum, so fragte sie sich, hatte die Natur es so eingerichtet, dass einem immer erst bewusst wurde, was man gehabt hatte, wenn man es verloren hatte.
Elisa ertrug ihre plötzliche Abhängigkeit tapfer, weil sie wusste, dass es sie noch schlimmer hätte treffen können.
Schon wieder stand die Schwester in der Tür.
»Er ist wieder da. Ich habe ihm gesagt, dass Sie ihn nicht sehen möchten. Aber er hat darauf bestanden, dass ich Sie noch mal frage.«
Elisa überlegte kurz, ob sie das Wiedersehen mit ihm heute noch ertragen würde. Der Tag war schon nervenaufreibend genug gewesen. Aber sie nickte und sagte: »Ja, es ist okay.«
Die Schwester schaute sie überrascht an und verschwand.
*
Zaghaft öffnete er die Tür und blieb kurz im Türrahmen stehen. Seine Kleine hatte auf ihn immer unendlich zerbrechlich gewirkt. Das tat sie jetzt nicht mehr. Sie war zerbrochen, stellte er traurig fest.
Sie schauten sich wortlos in die Augen, während er langsam um ihr Bett herum ging.
»Darf ich?«, fragte er leise und deutete auf den Stuhl neben ihrem Bett.
Sofort kam Elisa wieder ihre erste Begegnung nach seiner Entlassung in den Sinn. Sie hätte ihn niemals treffen dürfen. Hatte es bereut. Bitter bereut. Ihm gab sie keine Schuld für das, was passiert war. Die suchte sie nur bei sich. Ihr unersättliches Verlangen nach ihm hatte alles zerstört.
Elisa nickte langsam. Bedächtig setzte er sich und strich ihr vorsichtig über ihre Hand. Sie zog sie weg.
Voller Ergriffenheit betrachtete er sie. Sie war nur noch ein trauriger Schatten ihrer selbst. Abgemagert. Ausgemergelt. Fahl. Aber doch erkannte er seine Kleine, die ihn aus ihren großen Augen stumm betrachtete. Er brauchte sie nicht zu fragen, wie es ihr ging, er sah es.
Nachdem sie sich eine Weile still angesehen hatten, fragte Elisa leise: »Ich gehe davon aus, dass deine Freundin Bescheid weiß?«
Er nickte nur.
»Wie hat sie reagiert?«, hakte Elisa nach.
Tim zuckte mit den Schultern. »Sie … sie hat mich verlassen.«
Eine völlig aufgelöste Jenny erschien kurz vor seinem geistigen Auge. Er hatte gehört, wie ihr Herz brach, als er ihr die Wahrheit gesagte hatte und war sich wie ein Schwein vorgekommen.
»Wir hätten das nie tun dürfen«, riss ihn Elisa aus seinen Gedanken.
Was sollte er darauf antworten? Natürlich hatte sie Recht. Natürlich hätten sie das nicht tun
dürfen
. Aber sie haben es getan. Und die Konsequenz war katastrophal. Aber wer hätte damit rechnen können? Voller Schuldbewusstsein schaute er sie traurig an. Er hatte das Gefühl, Elisas Leben ein zweites Mal zerstört zu haben und spürte wie Tränen ihn ihm aufstiegen. Er schluckte sie hinunter.
Männer weinen nicht!
»Und dieser Verrückte kommt ungestraft davon …«, sagte er nach einer kurzen Pause.
»Was heißt ungestraft? Er ist in der Psychiatrie und da wird er wohl auch erst mal bleiben. Keine Ahnung, ob er schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist. Das haben andere zu entscheiden. Nicht ich.«
Beide schwiegen betreten.
»Kannst du dich noch an den Tag erinnern?«, fragte er interessiert.
»Ein bisschen. Aber an … «, ihre Stimme versagte, »daran nicht. Teilweise habe ich Bilder vor Augen, aber keinen richtigen Inhalt dazu. Meine Erinnerungen sind mit dem, was mir erzählt wurde, vermischt. Ich kann das nicht klar abgrenzen.«
»Du weißt aber noch, dass ich bei dir war.«
»Ja, ja klar. … Sag mal, ist deine Freundin eigentlich auch blond? So wie Maja, von der du mir mal erzählt hast?«, fragte sie völlig zusammenhangslos.
Tim sah sie verdutzt an und fragte sich, worauf sie hinaus wolle. Nachdenklich nickte er.
»Ja. Wieso?«
»Dann war ich nie dein Typ«, sagte sie ernst.
»Was soll das Elisa?«, leise fügte er hinzu, »ich liebe dich.«
Sie schaute ihn überrascht an, wich dann schnell seinem Blick aus und starrte auf den Boden links neben ihrem Bett. Dann sah sie wieder zu ihm, betrachtete ihn nachdenklich und wiederholte mit einer traurigen Stimme seine damaligen Worte: »Ich … glaub, ich muss los.«
Er biss sich auf die Lippe. »Daran kannst du dich noch erinnern? Das hättest du wirklich
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