Fesselnde Entscheidung (German Edition)
ruhig vergessen können!«
Sie betrachteten sich still.
Wieder stiegen Tränen in ihm auf. Er wischte sich über die Augen und sagte: »Weißt du eigentlich, wie sehr ich diesen Satz verflucht habe? Wie sehr ich es bereut habe, dich einfach so stehen gelassen zu haben?«
Tränen liefen ihm über das Gesicht. Aber es war ihm egal, er schien es noch nicht mal zu merken.
»Ich habe mir so sehr gewünscht, noch einmal die Gelegenheit zu bekommen, dir in die Augen sagen zu können, wie sehr ich dich liebe.«
Elisa betrachtete ihn schweigend, auch sie kämpfte mit ihren Tränen.
»Warum hast du mich nicht zu dir gelassen, als du aus dem Koma erwacht bist?«
Sie schwieg.
»Ich war jede Nacht bei dir, als du im Koma warst und habe deine Hand gehalten. Die kannten mich schon alle auf der Station, hielten mich für deinen Bruder oder sonst wen. Bis eine alte Krähe herausgefunden hast, dass du gar keinen Bruder hast. Dann gab`s Ärger mit deinem Vater.«
Elisa liefen zwei Tränen über die Wange.
»Bis dahin war ich jede Nacht bei dir. … Ich dachte, du würdest es nicht schaffen!«
Er weinte hemmungslos. »Einmal war ich dabei, als dein Herz aufgehört hatte zu schlagen und sie dich wieder zurückgeholt haben. Das war das Schlimmste, was ich bisher erlebt habe!«, er brach ab und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
Auch Elisa musste weinen und reichte ihm wortlos eine Packung Taschentücher und wischte sich mit ihrem die Tränen aus dem Gesicht.
»Warum hast du mich nur nicht zu dir gelassen? Ich bin fast wahnsinnig geworden. Wollte es nicht glauben, dachte erst, dass deine Familie es nicht will, aber … aber du hast es nicht zugelassen. Warum?«
»Ich kann es dir nicht erklären«, sagte sie schließlich, »ich konnte es einfach nicht. … Vielleicht, weil ich erst mit Basti sprechen wollte. … Ich fand, dass war ich ihm schuldig.«
»Und?«
»Er war heute da.«
Er schwieg und blickte sie erwartungsvoll an.
»Wir haben alles geklärt. Er will die Scheidung. Er weiß auch von Amelie. Will sie aber weiterhin sehen. … Mal schauen, wie lange. Kristina ist von ihm schwanger.«
»Und nachdem er dich verstoßen hat, hast du mich angerufen«, stellte er traurig fest.
Elisa schaute ihn nachdenklich an. »Ich würde es schade finden, wenn du es so siehst.«
Tim schüttelte mit dem Kopf und flüsterte: »Ich liebe dich mehr als mein Leben.«
*
Auf einmal merkte Elisa, dass sie ihre Fassung nicht länger wahren konnte. Die ganze Zeit, seitdem sie wieder erwacht war, hatte sie immer versucht, sich irgendwie zusammenzureißen, alles tapfer zu ertragen. Aber sie konnte nicht mehr. Alles, die Wut auf sich und die Welt, die unendlichen Schmerzen, die Trauer, Sorgen und Ängste brachen auf einmal geballt aus ihr heraus.
»Tim, ich bin nicht mehr die alte«, schrie sie, »NICHTS WIRD JEMALS WIEDER SO SEIN, WIE ES WAR! NICHTS! NIE WIEDER!«, ihre Lippen bebten vor Aufregung, »SIEH MICH DOCH AN! ICH BIN EIN WRACK. ICH HABE EINE WINDEL UM«, sie weinte und schrie zugleich, »ICH KANN NICHTS ALLEINE! NICHTS! ICH BIN IMMER AUF HILFE ANGEWIESEN. DIE GRÖSSTE KRAFTANSTRENGUNG DES TAGES IST FÜR MICH, IRGENDWIE IN DEN ROLLSTUHL ZU KOMMEN. MEINE BEINE HALTEN MICH NICHT! ICH HABE KEINE KRAFT! ICH BIN AM ENDE!«
Ihre Stimme war immer lauter, immer verzweifelter geworden.
Er betrachtete sie mit Tränen in den Augen, aber machte keine Anstalten, sie in irgendeiner Form beruhigen zu wollen. Schien Instinktiv zu spüren, dass es genau das war, was sie jetzt brauchte. Sich einfach alles von der Seele zu schreien. Und dennoch zerriss es ihm das Herz, sie so leiden zu sehen.
Als sie weinend verstummte, wartete er einen Moment, bevor er sich zu ihr auf die Bettkante setzte und sie in den Arm nahm. Erst nach einigen Minuten wischte er ihr sanft die Tränen aus dem Gesicht.
»Ich sage dir nicht, dass es einfach wird, Kleine«, er machte eine kurze Pause, »aber ich sage dir, dass du es schaffen wirst. Die Ärzte hatten dich schon aufgegeben. Aber du hast es ihnen gezeigt. Und du wirst es allen wieder zeigen!«
Leise fügte er hinzu: »Wir werden das gemeinsam durchstehen. Das verspreche ich dir.«
Elisa wich seinem Blick aus und atmete tief durch. Ihr Gefühlsausbruch hatte ihr gut getan, hatte sie befreit.
Schluchzend fragte sie nach einer Weile: »Wie kannst du mich lieben, obwohl ich dir all die Jahre Amelie verschwiegen habe?«
»Wie konntest du mir vergeben, nach all dem, was ich dir angetan habe?«
Gedankenvoll
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