Fettnaepfchenfuehrer Italien
ein Mist, gerade heute! Franziska ging zur Tür.
»Guten Tag, ich habe hier ein Einschreiben für Giulia Cecere.« Ein Postbote mit tiefer sonorer Stimme starrte sie an, jedenfalls kam Franziska die Stimme extrem kraftvoll vor.
»Non sono io« , antwortete Franziska, das bin ich nicht, und der Postbote starrte sie weiter an.
Wann Giulia denn wiederkomme, wollte der Postbote wissen. Mein Gott, warum gaffte der denn so, stimmte etwas mit ihrem Schlafanzug nicht? Franziska sah an sich hinunter – nein, alles okay.
Sie wisse nicht, wann Giulia wiederkomme, wollte Franziska gerade anfangen zu erklären, als sie hinter sich die Stimme von Giulia hörte. »Francesca, ich bin hier, warte kurz, ich komme gleich.«
»Un momento per favore« , sagte Franziska dem Postboten. Sie hätte am liebsten die Tür zugemacht, der Mann hatte etwas Aufdringliches. Aber das wäre unhöflich gewesen und hätte nicht zu ihrer Erziehung gepasst. Außerdem brachte der Postbote ihnen ja etwas.
»Danke«, sagte endlich Giulia hinter ihr, und Franziska ging in ihr Zimmer zurück und ließ sich auf ihr Bett fallen.
Was ist diesmal schief gelaufen?
Italiener haben ein anderes Verständnis von Privatheit. Dazu gehört, dass man die Wohnung nicht jedem öffnet, weshalb manche Menschen die Post gar unten im Hausflur in Empfang nehmen. Gar so weit muss die Privatheit nicht reichen. Dass man jedoch in Schlafkleidung an der Tür steht, ist äußerst ungewöhnlich. Eine italienische Dame würde in einem solchen Fall durch die Tür erklären – auch das ist auffällig in Italien, dass Türen allgemein nicht so schnell geöffnet werden wie in Deutschland – sie würde also durch die geschlossene Tür erklären, dass es im Moment unpässlich sei und der Postbote anderswann wiederkommen oder eine Zeit lang warten solle. Und es ist gut möglich, dass er eine ganze Weile warten müsste, denn bis die Haare richtig sitzen und alles schön geschminkt ist, kann es lange dauern.
Was können Sie besser machen?
In diesem Fall hätte Franziska einen Mittelweg wählen können, also nicht im Schlafanzug und auch nicht in einen Bademantel gehüllt – das schickt sich ebenso wenig – die Tür öffnen. Besser ist es, sich kurz anziehen und dann die Post in Empfang nehmen.
Wie Franziska vom Strand verjagt wird
Freiheit gibt es nur am freien Strand
Franziska hatte sich, bevor sie nach Rom gekommen war, reichlich Gedanken gemacht, wie es wohl sein würde. Abends, wenn sie auf ihrem Bett lag und darauf wartete einzuschlafen, toste der Verkehr in ihrem Kopf, tauchten die Sehenswürdigkeiten und die italienische Sprache in ihren Gedankenspielen auf. Einmal hatte sie gar mitten in einem Seminar ihren Gedanken freien Lauf gelassen. Und alles nur, weil das Wort »Stromboli« in einem Text vorkam, den sie besprachen. Eines hatte sie jedoch überhaupt nicht berücksichtigt in ihren Überlegungen: das Licht. Es stimmte tatsächlich, was viele Römer sagen, dass nämlich in Rom ein ganz besonderes Licht herrsche. Nicht nur abends, wenn die Sonne auf ihrem Weg zum Horizont die Häuserlandschaften in ein golden warmes Licht tünchte, sondern auch tagsüber. Gleich am zweiten Tag war Franziska dieses schöne Licht aufgefallen. Und nicht einmal der stärkste Smog schaffte es, die Schönheit der Sonnenstrahlen zu trüben.
Heute schien die Sonne besonders kräftig, obwohl in Deutschland der Sommer schon gänzlich dem Herbst Platz gemacht hatte und auch in Italien langsam aber sicher die Temperaturen sanken. Franziska wollte ans Meer fahren. Die Ruinen von Ostia antica wollte sie links liegen lassen und stattdessen ein paar Bahnstationen später aussteigen, dort, wo heute das Meer war. Früher lag die Küste unweit hinter der Ruinenstadt Ostia antica, die bemerkenswert gut erhalten geblieben ist. Die Versandung hatte den Ort dann aber in den vergangenen zweitausend Jahren landeinwärts rücken lassen. Wer weiß, vielleicht macht der Klimawandel das jetzt wieder rückgängig, dachte Franziska halb scherzhaft. Selbst in der Ewigen Stadt war wohl nichts für die Ewigkeit gemacht...
Nun hieß der Küstenort zwar immer noch Ostia, doch als Hafenstadt war Rom völlig unbedeutend, sieht man von ein paar kleinen Booten ab, die südlich des heutigen Ostias anlanden, südlich von dem nun mit dem Begriff Lido versehenen Ostia. Von dem quasi schwarzen Sand dort hatte Franziska schon gelesen.
Sie hatte sich inzwischen ein Monatsticket zugelegt, es war billig, Erasmusstudenten wie sie
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