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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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zog das neue Kostüm und den geerbten Schmuck an. Eingehüllt in eine Wolke teuren Parfüms schwebte sie wie ein ganzes Geschwader himmlischer Heerscharen in die Delikatessenabteilung. Die Männer mit Einkaufswagen sah sie gar nicht erst näher an. Das waren entweder solche mit Anhang oder ganz bequeme.« Und wie sollen sie mich auf Händen tragen», dachte Rose, «wenn sie nicht einmal ein Tiefkühlhuhn befördert kriegen?» Ihre Kandidaten würde sie ganz hinten finden am Weinregal, da, wo die seltenen Flaschen in großen Glastruhen standen. Es war nicht einfach gewesen, den Nachmittag zu warten, dass es endlich losging, und als dann gegen sieben drüben im Haus die Lichter angingen, und sie wusste, dass da jetzt gekocht und geredet wurde, hatte sie es nicht mehr ausgehalten und sich auf den Weg gemacht. Die übrige Zeit verbrachte sie in der Abteilung mit den Dessous, um sich in Stimmung zu bringen. Dann war es endlich nur noch eine Viertelstunde bis zum Geschäftsschluss - die Zeit, in der die Erfolgreichen, und zwar die ganz Erfolgreichen einkaufen gingen.
    Es verirrten sich auch immer ein paar Loser um diese Zeit zwischen die Hummerdosen und Geleegläser, solche, die immer irgendeine Zutat für das Essen abends vergessen, aber die erkannte Rose sofort daran, dass sie hektisch eine Packung Mozzarella auf eine Konservendose geschälte Tomaten warfen und damit zur Kasse stürmten, als wären sie beim Rugby. Die, auf die Rose es abgesehen hatte, ließen sich Zeit. Die nahmen den Ladenschluss bis zur letzten Sekunde in Anspruch, Siegertypen, die sich nehmen, was sie wollen, das gefiel Rose. Jetzt musste sie unter den wenigen herumwieselnden Nadelstreifenhörnchen nur noch die ohne Sippe herausfiltern, aber auch das war kein Problem. «Singles», dozierte Rose leise vor sich hin, «kaufen immer winzige Portionen von völlig überteuerten Delikatessen. Und die stapeln sie auf einem angewinkelten Arm, statt einen Wagen oder einen Korb zu nehmen.» Sie griff sich einige auserlesene Nahrungsmittel, von denen sie gelesen hatte, dass sie eine aphrodisierende Wirkimg hätten: Steinpilze, Austern, ein Tütchen Safran, eine Babyananas, eine Ingwerwurzel (von der sie keine Ahnung hatte, wie sie die verkochen musste, und die anschließend eine jämmerliche Existenz als angemalte Minivogelscheuche in Roses Kartoffelschale fristen würde), Kokosmilch und zwei frische, belgische Pralinen. An der Fleischtheke orderte sie eine Scheibe der teuersten Pastete, und dann hatte sie alles komplett. Jetzt war sie ausgerüstet für jeden wie auch immer gearteten Mann: Der Exotiker, der Gesundheitsbewusste, der Luxuriöse, der Genießer, der Vegetarier und der Fleischfan, jeder würde etwas in ihren Armen finden. Nun kam der schwierigste Teil. Sie sah auf die Uhr, noch sieben Minuten.
    Rose schlenderte zum Weinregal und begann sich kritisch, aber etwas orientierungslos umzusehen, nahm verschiedene Weißweine aus dem Regal, drehte sie, so gut es mit einer Hand ging, herum, stellte sie wieder weg und suchte weiter. Direkt hinter sich hatte sie ein in Frage kommendes Objekt geortet. Schlank, Mitte vierzig, Typ Oberarzt. Aber dann griff er sich einen Literkarton Migräne-Traufenstein und erledigte sich damit selbst. Der Migränemann verschwand, und da bog er um die Ecke. Er. Rose konnte fast die Hufe des Schimmels klappern hören, als ihr Prinz die Weinabteilung für sich einnahm. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug und eine Brille mit halben Gläsern. Seine Socken waren dunkel und uni. Und sie passten zu den Schuhen. Das war mehr, als eine Frau erwarten durfte. Sein Aftershave wehte zu ihr herüber. Sie lächelte zurückhaltend (offen, aber sophisticated) und sagte: «Entschuldigen Sie bitte, wissen Sie vielleicht, welcher Weiße besser zu einem Steinpilzsouffle passt? Ich kenne mich da nicht so aus.» Und sie versuchte, gleichzeitig gebildet und hilfsbedürftig auszusehen. Es gelang ihr offenbar, denn der Sockenträger biss sofort an und hielt einen Vortrag über die Vorzüge des Grauburgunders, gab allerdings zu bedenken, dass er in Verbindimg mit dem Ingwer womöglich «etwas zu libertär» schmecken könnte, und empfahl ihr einen französischen Weißwein, «klassisch, aber nicht zu puristisch». Rose zog eine Augenbraue hoch und bemühte sich, wirklich beeindruckt auszusehen. Sie bedankte sich und drehte ihm schnell den Rücken zu, jetzt kam Phase zwei. Während sie die Flasche zwischen Ananas und Austern verstaute, ließ sie die Pralinen

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