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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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alle Räume. Hier an der Kommode hat er sich gestoßen gestern Abend, bevor sie das Licht angeknipst hatte. Sie kommt im Badezimmer an. Die Wanne ist noch halb voll. Sie denkt darüber nach, wer bis gestern Abend mit ihr in dieser Wanne gesessen hat. Das ist ganz wichtig. Harald, der war toll. Der beste Mann im Büro. Verheiratet. Wollte sich scheiden lassen, hat es dann aber nicht gemacht. Das war besser so, er hat gekündigt, und sie hat seinen Job bekommen. Toller Job. Alle Freundinnen waren neidisch. Und dann den Geschäftsführer von dem Club, Roland. Den ganzen Abend lang hat Anja ihn angegraben, aber er wollte sie, nur sie. Sie sahen toll zusammen aus. Irgendein Fotograf von einem Stadtmagazin hat sogar ein Foto von ihnen gemacht, wie sie tanzen. Und Witze konnte der erzählen, richtig gute, Dutzende von Witzen, sie hat nachher im Bett noch immer wieder lachen müssen. Aber die waren alle nicht wie Mario.
    Mit Mario kann sie richtig reden, er versteht sie, er weiß, was sie wirklich fühlt. Liebe Kirsten. Er ist so süß, das hat er auch im Bett gesagt, als er über ihr kniete und sie streichelte, liebe Kirsten, liebe liebe Kirsten. Und sie hat dann Ich dich auch geflüstert. Wenn alles stimmt, soll man nicht warten. Und bei Mario stimmt alles.
    Sie war dann später oft im Club, aber meistens alleine, Roland musste sich ja um das Büro kümmern und Gäste begrüßen. Bei zwei Männern hat er ihr mal zugeflüstert, die sind ganz wichtig, Schatz, und sie war toll zurechtgemacht und ist nach ein paar Minuten an ihren Tisch gegangen, damit Roland sie vorstellen konnte, und der sagte Spiel mal eine Weile alleine, Süße. Oder hol ein bisschen Schlaf nach, siehst müde aus. Und sie war gegangen und hatte in einem kleinen Cafe gesessen, und das Schicksal war ja doch immer auf ihrer Seite und schickte ihr diesen netten Zeitimgsverkäufer vorbei, mit dem sie dann zwei Wochen nach Korfu gefahren war, einfach so, und das war toll. Sie war noch nie in Griechenland und hatte sich prima erholt.
    Bis dann. Mario Weger. Das passt zu ihm. Dass er mit dem ganzen Namen unterschreibt. Er macht nie etwas halb. Und er ist eine runde Persönlichkeit. Vielleicht wusste er auch nicht so recht, wie man so eine Nachricht schreibt. Wahrscheinlich hat er jedes Wort dreimal herumgedreht, weil es ihm so wichtig war, weil er etwas ganz Bestimmtes damit sagen wollte. Liebe Kirsten. Schaffe es leider nicht heute Abend. Danke für die schöne Nacht. Ja, die war schön. Das ist so selten, dass zwei Körper, die sich nicht kennen, so eingespielt auf einander sind.
    Kirsten setzt sich mit einer Nagelschere auf den Küchenboden. Vor die Heizung. Sie langt auf die Spüle, da steht noch die offene Flasche, sie nimmt sie herunter, trinkt einen Schluck und stellt sie neben sich. Sie hat also einen unverhofft freien Abend. Schönheitstag, längst überfällig. Sie fährt mit der einen Schneide der Schere unter ihren lackierten Nägeln vorbei. Sie hält sich die Hand vors Gesicht. Sieht durch die gespreizten Finger. Sie schneidet ein bisschen Hornhaut vom Daumen, kaum sichtbar, wenn das Küchenlicht nicht so hell wäre. Dann schneidet sie den Nagel ganz kurz. Den Zuchtnagel, hat zweieinhalb Monate gedauert, bis der so lang war. Aber kurz ist praktisch. Der nächste. Am Ende liegen vor ihr auf dem Linoleum lackierte Halbmonde, die fegt sie zusammen und streut sie in den Blumentopf, der über ihr auf dem Fensterbrett steht. Ihrem Rücken wird langsam ziemlich heiß. Fast tut es weh, fast, dann ganz sicher, sie beugt sich ein Stückchen vor, greift sich wieder den Zettel. Liebe Kirsten.
    Sie ist seine liebe Kirsten, immer wieder hat er das geflüstert. Schaffe es leider nicht, heute Abend zu kommen. Es tut ihm Leid. Wenn er nicht kommen kann, ruft er aber wohl nachher mal an. Und er kommt dann ein anderes Mal, morgen zum Beispiel, der Spargel hält sich im Gefrierfach ja. Sie öffnet es und hält ihre Hand hinein, er ist noch da, und der Beutel knistert. Danke für die schöne Nacht. Das war die schönste Nacht, die, in der sie ihn kennen gelernt hat. Ihn. Mario Weger.
    Die Kälte beißt in die Handinnenfläche, Kirsten zieht sie
    nicht weg. Der Spargel knirscht. Die Kälte sticht kleine Tunnel in die Haut, bohrt sich durch die Hand bis zum Gelenk. Sie zieht sie nicht weg. Liebe Kirsten. Ich dich auch, sagt sie. Laut.
    Die ganze Wohnimg soll es hören.

Pralle Frau im SSV
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