Feuer der Rache
Jacobson hob die Hände. „Es liegt nicht an ihrer Intelligenz. Sie ist klug und hat eine rasche Auffassungsgabe, aber sie hat eine schwache Konstitution. Immer wieder ist sie krank. Jede Erkältung, jede Darmgrippe nimmt sie mit, und dann diese Hautausschläge. Wie heißt das Wort, Maike?"
„Neurodermitis", erwiderte Maike undeutlich mit vollem Mund.
„Oh, ja, daran leidet sie schon seit vielen Jahren."
„Das heißt, sie hat zurzeit keine Arbeit und ist meist bei Ihnen zu Hause?"
Frau Jacobson schüttelte den Kopf. „Sie arbeitet seit acht Wochen in dem Geschäft in der Hauptstraße, in dem Spielzeug und Schreibwaren verkauft werden. Allerdings nur dreimal die Woche -so ein Minijob ist das, für vierhundert Euro."
In Sabines Handtasche klingelte das Handy, sich entschuldigend nahm sie das Gespräch an.
„Sönke? Nein, ich bin hier in Blankenese. Das hat keinen Sinn. Wo ist es denn? Ich kann mit meinem Wagen vorbeikommen. Eibchaussee 547", wiederholte sie die Adresse. „Das muss noch vor der Einmündung des Mühlenbergs sein. Ich werde es finden und bin in zehn Minuten da."
Irene Jacobson hob den Kopf. „547? Ist das nicht die Villa von Dr. von Everheest, dem Schönheitschirurgen?"
Sabine nickte. „Kennen Sie ihn?"
„Ja, wie man sich halt so kennt, wenn man im gleichen Ort wohnt. Nicht dass wir in der gleichen Gesellschaft verkehrt hätten, aber man spricht natürlich über die Dinge, die in der Zeitung stehen -gute wie schlechte! Er hat in den Siebzigerjahren große Erfolge gefeiert, aber dann kam der Skandal um den verpfuschten Busen, der ihm beinahe das Genick gebrochen hätte. War natürlich Pech, dass es ausgerechnet eine von diesen Schauspielerinnen war, die in jedem Klatschblättchen abgelichtet werden. Es wurde getuschelt, er müsse für die Entschädigung seine Villa verkaufen, aber dann hat er sich wieder gefangen, und die Reichen und Schönen strömten wieder in seine Klinik, um sich von ihrem teuer angefressenen Fett befreien zu lassen. Seine Frau allerdings hat den Skandal nie überwunden. Manche sagen, sie ist deshalb nur Monate später gestorben, aber das ist Unsinn. Sie hatte irgendeine schwere Krankheit. War es Leukämie? So genau weiß ich das nicht mehr. Tja, und bei ihm war es wohl das Herz, das vergangenes Jahr nicht mehr wollte."
Sabine blinzelte verwirrt. „Ich glaube, Sie verwechseln etwas. Dr. von Everheest wurde heute Nacht tot in seiner Klinik aufgefunden."
„Nein!" Die Alte stieß einen Schrei aus und sah die Freundinnen an. Aletta zog die schwarz nachgezogenen Augenbrauen hoch. „Was? Der ist doch noch nicht mal dreißig!" Carmen ließ ihre Gabel fallen und tauchte unter den Tisch, um sie wieder aufzuheben, nur Maike reagierte nicht. Sie war noch immer mit Rührei und Speck beschäftigt.
„Dann muss es Sven von Everheest sein, der Sohn, der vor einigen Jahren bei seinem Vater in der Klinik angefangen und sie nach seinem Tod weitergeführt hat", sagte die Alte. „Nein, was für ein Unglück! -Was um alles in der Welt ist ihm denn zugestoßen?"
„Jedenfalls ist er keines natürlichen Todes gestorben", antwortete die Kommissarin. „Mehr darf ich Ihnen nicht sagen, und viel mehr weiß ich auch noch nicht. Das müssen die Ermittlungen des LKA klären. Deshalb muss ich mich jetzt auch verabschieden. Mein Kollege wartet. Darf ich morgen wiederkommen und mich in Iris' Zimmer umsehen?"
„Aber ja." Irene Jacobson stemmte sich in ihrem Stuhl hoch und griff nach den Krücken. „Ach, Frau Berner, mir ist etwas eingefallen. Sie haben vorhin gefragt, wen Iris besucht haben könnte. Nun ja, es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber vielleicht eine Möglichkeit: Clara Hofberger. Sie wohnt im Brandts Weg. Wenn man vom Anleger oder vom Strandweg kommt, wäre die Krögerstreppe der schnellste Weg."
„Clara Hofberger?" Sabine sah die Gastgeberin fragend an.
„Sie war Iris' Grundschullehrerin, und auch in den Jahren danach, als sie schon ins Gymnasium ging, hat Iris sie häufig besucht."
Die Kommissarin nickte. „Einen Versuch ist es wert. Ich danke Ihnen und werde nicht versäumen, der Spur nachzugehen."
Sie sah nicht, wie die drei Freundinnen Blicke austauschten.
Kaum hatte die Kommissarin das Haus verlassen, schob Carmen ihren Teller von sich, sprang auf und rannte die Treppe hinauf. Maike belud sich ihre Brötchenhälfte mit dem Rest des Rühreis und vertilgte beides. „Ich muss gehen", stieß sie mit vollem Mund hervor. „Ich habe heute die zweite Schicht." Sie
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