Feuer der Rache
die Tasten seines Flügels gleiten zu lassen.
Sabine konnte nicht schlafen. Ruhelos schritt sie in ihrer Wohnung auf und ab, obwohl es schon auf zwei Uhr zuging. Das Gespräch mit Iris' Mutter ging ihr nicht aus dem Kopf. Was waren das für seltsame Schwingungen, die sie wahrgenommen hatte, die sie aber nicht genau beschreiben konnte? Barbara Stoever war nicht sehr erfreut gewesen über ihren Besuch. Lag Ärger in ihrer Stimme, Wut oder Enttäuschung? Jedenfalls waren es weder Angst noch Verzweiflung!
Es war nicht einfach gewesen, Auskünfte von ihr zu bekommen, auch hatte sie es vermieden, der Kommissarin ins Gesicht zu sehen. Sie hatte ihr den Rücken zugewandt und weiterhin Blumen in Vasen auf dem Altar verteilt. „Haben Sie seit Ostern etwas von Iris gehört?" Frau Stoever schob zwei rosafarbene Tulpen in die mit kitschigen Engeln bemalte Vase. „Nein. Warum fragen Sie nicht meine Mutter? Meine Töchter wohnen seit fast sechs Jahren bei ihr!"
„Ich komme gerade von ihr und hoffe, dass Sie mir einen Hinweis geben können, wo ich meine Suche fortsetzen soll."
„Ich habe mich wirklich bemüht!", stieß die Frau nach drei weiteren Tulpen aus. „Sie war schon immer ein falsches Luder, hat gelogen und sich herumgetrieben, und wenn man sie zur Rede stellte, sah sie einen nur schweigend an. Ich habe wirklich alles versucht, um einen anständigen Menschen aus ihr zu machen. Aber natürlich wird nun wieder der Mutter die Schuld für alles gegeben", stieß sie bitter hervor.
„Es geht hier nicht um Schuld, Frau Stoever. Es geht darum, Ihre Tochter zu finden, die seit fast einer Woche verschwunden ist."
„Sie wird wieder auftauchen, wenn sie in Schwierigkeiten ist, ihr Freund sie verlassen hat oder ihr das Geld ausgeht, und dann dürfen ihr Vater und ich zusehen, wie wir alles richten."
„Sie glauben also, dass sie freiwillig weggegangen ist, ohne jemandem etwas zu sagen?", fragte Sabine überrascht, obwohl sie vor kaum zwei Stunden in dem kleinen Häuschen in der Panzerstraße ähnliche Vermutungen angestellt hatte. „Ihre Mutter schließt das aus. Und sie glaubt auch nicht an Selbstmord. Sie ist überzeugt, dass Iris einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist."
Einen Bund Gerbera in der Hand, drehte sich Barbara Stoever langsam um. „Meine Mutter hatte schon immer ein völlig falsches Bild von den Kindern, aber da kann man reden, wie man will. Sie müssen selber wissen, wem Sie glauben. Vielleicht ist ihr wirklich etwas passiert -was ich nicht wünsche -, doch dann nur deshalb, weil sie sich leichtsinnig in Gefahr begeben hat."
Sabine fiel nichts ein, was sie darauf hätte sagen können. Barbara Stoever senkte den Blick. „Sie denken jetzt, ich wäre kalt und hart, doch Sie sollten sich vielleicht auch fragen, warum ich so geworden bin. Ich war auch einmal eine Mutter, die stolz auf ihre Mädchen war und große Pläne für ihre Zukunft hegte."
Diese Worte gingen Sabine nicht aus dem Sinn, während sie in ihrem grün karierten Schlafanzug im Wohnzimmer auf und ab lief.
Was für ein Bild würde Maike von ihrer Schwester zeichnen? Was die Freundinnen erzählen? Jedenfalls würde sie morgen zuallererst Sönke anrufen. Er hatte dieses Wochenende Bereitschaft und würde vielleicht im Büro sein. Dann musste er ihr alles besorgen, was es im Präsidium über das Verschwinden von Iris Stoever zu finden gab. Zwar hatte es Sabine am späten Nachmittag schon selbst bei der Zentrale der Vermisstenstelle versucht, aber die Sekretärin konnte oder wollte ihr keine Auskunft geben. Sabine gähnte herzhaft. Vielleicht sollte sie doch versuchen, noch ein paar Stunden zu schlafen. Vor neun durfte sie Sönke sowieso nicht stören. Das Samstagsfrühstück mit seiner Frau war heilig, und wenn man ihn um einen Gefallen bitten wollte, war es ratsam, ihn vorher nicht zu verstimmen.
„Guten Morgen, Sönke, deine Frau sagte mir, wo ich dich erreiche. Was tust du an einem Samstag so früh im Präsidium? Was ist mit deinem heiligen Frühstück?"
„Dammi noch mol, red mich nich so von der Seite an, mien Deern. Ich bin fertig mit Jack un Büx."
„Was ist los? Habt ihr einen neuen Kunden?"
Sönke grunzte zustimmend. „Hier is vielleicht ein Kuddelmuddel."
„Ja nun, erzähl schon", drängte Sabine. „Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen."
„Wir haben einen dieser Fälle, die es laut Statistik gar nicht gibt. Kommt eigentlich nur im Tatort' oder sonstigem Krimizeug vor: junger, angesehener Schönheitschirurg in
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