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Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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seine schnarrende Stimme.
    „Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst Und fragst, wie alles sich befinde, Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst, So siehst du mich auch unter dem Gesinde. Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt; Mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen, Hättest du dir nicht das Lachen abgewohnt."
    Sie hätte ihm die ganze Nacht lauschen können. Er lebte diese Zeilen. Er spielte die Gefühle, dass sie in ihrem Innersten brannten.
    „Wie geht es weiter?", riss er sie aus ihrer träumerischen Stimmung. „Was sagt Gott zu Mephisto?"
    Sabine überlegte. Es war lange her, dass sie in dem kleinen, gelben Heftchen gelesen hatte, das schon sehr zerfleddert in ihrer Nachttischschublade lag. Sie ließ Mephistos letzte Worte noch einmal in sich erklingen, und plötzlich waren die Sätze da:
    „Hast du mir weiter nichts zu sagen? Kommst du nur immer anzuklagen? Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?"
    „Gut!", rief Peter von Borgo begeistert und stürzte sich erneut in seine Rolle als Mephisto. Nun begann er wieder sein Wechselspiel zwischen den Akteuren, deren Stimmen er von verschiedenen Richtungen her erklingen ließ.
    Und dann kam Faust mit seinem berühmten Monolog. Mit seinen Fragen und seinen Zweifeln an der Welt, die ihn zu vernichten drohten, doch die Glocken der Osternacht hielten ihn zurück, die Welt feige mit einem Schluck Gift zu verlassen, und so bekam Mephisto seine Chance, dem Doktor einen Pakt vorzuschlagen.
    „Nun rasch, sage mir, wie lautet Fausts berühmte Antwort?", rief der Vampir. Seine Stimme hatte schon lange die kühle Distanz verloren, die er sonst immer bewahrte. „Was ist es, das Faust den Pakt mit dem Teufel eingehen lässt?"
    In diesem Fall musste Sabine nicht lange überlegen:
    „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön!"
    Der Vampir übernahm wieder:
    „Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!"
    Ein Schimmer begann in der Ecke zu glimmen, breitete sich aus und wurde immer heller, bis der ganze Raum in warmes Licht getaucht war. Die Wangen seltsam rosig, die Augen rot blitzend, stand Peter von Borgo vor ihr und sah sie an. Er schien auf etwas zu warten. „Nun?", drängte er, als Sabine ihn nur schweigend musterte.
    „Was heißt hier nun? Was erwartest du? Sage nicht, dass du Faust und Mephisto mit mir spielen willst! Ich soll den Pakt mit dir schließen, und wenn mir leichtsinnig die falschen Worte entschlüpfen, dann willst du zuschlagen und mich in deine Fesseln legen. Doch bedenke -auch Mephisto hat am Ende den Kürzeren gezogen!"
    Er wirkte enttäuscht. „Nein! So ist es nicht. Ich will kein albernes Spiel. Ich will dich nicht übertölpeln, und es geht auch nicht darum, wer gewinnt. Ich will nur, dass du mir die Chance gibst, dir meine Welt zu zeigen, die auch die deine sein könnte. Dass du offen dafür bist und dich nicht hinter Abscheu und Hass verbarrikadierst. Dass ich nicht als Sündenbock herhalten muss für alles, was in deinem Leben falsch läuft."
    Sabine seufzte, ließ sich wieder auf die Polster sinken und verbarg das Gesicht in den Händen. Peter von Borgo ging zurück zum Flügel und spielte ganz leise Chopins Regentropfenpräludium. Als er geendet hatte, schwieg sie noch immer. Er blieb auf dem Hocker sitzen, die Hände im Schoß verschränkt.
    „Was kann ich für dich tun? Möchtest du ein Glas Wein?"
    Sabine erhob sich schwerfällig. Sie wankte und musste sich an der Bücherwand abstützen. „Ich bin müde. Ich werde jetzt nach Hause fahren."
    Der Vampir wirkte enttäuscht. „Warum die Eile? Willst du heute noch auf Mörderjagd gehen? Es ist Sonntag! Lassen dich deine Kollegen denn wieder mitmachen? Sind sie wegen des toten Anwalts unterwegs?"
    Sabine runzelte die Stirn. „Welcher tote Anwalt? Der Tote in Kleinflottbek war Arzt!"
    Peter von Borgo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Den meine ich nicht. Ich spreche von dem Toten am Neuen Wall, in seinem Büro -über den Ladenräumen von ,Escada'."
    Einige Augenblicke sagte die Kommissarin nichts, doch die Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Irgendetwas regte sich in ihrem Gedächtnis, aber sie konnte es nicht zuordnen.
    „Oh, hat noch niemand die Leiche entdeckt? Sie liegt dort seit Freitagnacht! Ich kam vorbei und habe sie gewittert."
    „Du nimmst mich auf den Arm!", vermutete Sabine misstrauisch.
    Peter von Borgo zuckte mit den Schultern. Die blasierte

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