Feuer der Rache
ihn? Warum versagten seine Waffen? Konnte er nicht jeden Menschen und jedes Tier mit seinem Blick bezwingen und seinen Wünschen gefügig machen?
Sie muss freiwillig zu dir kommen und von deinem Blut trinken!
Ja, das war das Problem. Zerstören war einfach, doch die Gefährtin, die er erwählt hatte, auf den Weg in die Dunkelheit zu führen, offensichüich nicht.
Wieder hielt er inne. Würde sie ihre Meinung jemals ändern, wenn er sich von ihr fernhielt? Waren die Menschen nicht schwach in ihren Entscheidungen? Noch klammerte sie sich an die Reste ihres alten Lebens und an das Kind, das sie kaum sehen durfte. Vielleicht war der Tag nicht mehr fern, an dem sie gern alle Fesseln hinter sich lassen wollte. Dann musste er bereit sein! Dann musste er die Gelegenheit ergreifen!
„Sabine, ich werde dein Schatten sein und dich auf den Weg führen, der für dich bestimmt ist!"
Er schloss die Augen und nahm die Witterung auf. Geräuschlos machte er sich auf den Weg.
Es war schon dunkel, als Aletta und Sabine Berner aus dem reetgedeckten Fachwerkhaus von Irene Jacobson traten. Wie üblich war Aletta in Schwarz gekleidet, die Augen dick mit Kajal umrandet, die Lippen schwarz geschminkt. Ein silberner Halbmond hing heute zusammen mit dem Pentagramm um ihren Hals.
Unter dem Rosenbogen blieb die Kommissarin stehen. „Kann ich Sie in die Stadt mitnehmen? Mein Wagen ist unten am Mühlenberg geparkt."
Aletta schloss das weiß gestrichene Gartentor. „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich werde bei meinen Eltern vorbeisehen."
Die beiden Frauen schlenderten schweigend die lang gezogene Treppe hinunter. An der Einmündung zum Mühlenberg blieb Sabine plötzlich stehen. In ihrem Nacken prickelte es. Sie hatte wieder einmal das Gefühl, beobachtet zu werden. Mit einem Ruck fuhr sie herum und ließ den Blick über die gelblichen Lichtkegel der Straßenlampen und die Schatten der Gärten wandern. War er hier irgendwo im Schutz der Nacht und wartete auf sie?
„Können Sie das auch fühlen?", flüsterte Aletta und zog die Schultern hoch, als wäre ihr kalt.
Sabine blieb nicht viel Zeit, sich über Alettas Worte zu wundern, da tauchte seine Gestalt wie aus dem Nichts auf. Er verbeugte sich höflich.
„Sie!", rief Aletta und wich ein Stück zurück.
„Guten Abend, Peter", sagte Sabine gepresst.
„Sie kennen diesen Mann?", vergewisserte sich Aletta, und ihre dunklen Augen wanderten hektisch zwischen der Kommissarin und dem Vampir hin und her.
„Ja", bestätigte Sabine. „Er ist ein -Freund." Das hatte sie eigentlich nicht sagen wollen, aber das Wort hatte sich geformt, ehe sie ein anderes finden konnte.
Die Anspannung wich aus Alettas Gliedern, und sie trat wieder einen Schritt näher. „Und Ihr Name ist?"
„Peter von Borgo, mein Fräulein. Es ist mir ein Vergnügen!" Er nahm ihre Hand in die seine und hauchte einen Kuss auf den Handrücken.
Aletta entzog ihm ihre Hand. „Sie haben -interessante -Freunde", sagte sie und sah die Kommissarin fragend an. Vermutlich hatte sie an ein anderes Adjektiv gedacht.
„Ja, das stimmt. Er ist im Ausland aufgewachsen", fügte sie schwach hinzu, wie um sein seltsames Verhalten zu rechtfertigen.
Die drei setzten gemeinsam ihren Weg Richtung Strandweg fort, bis sie Sabines alten Passat erreichten, der am Straßenrand parkte.
„Ich begleite Fräulein Aletta gern zum Haus ihrer Eltern", bot der Vampir an und öffnete Sabine die Fahrertür.
Hatte sie vergessen, ihr Auto abzuschließen? Wie nachlässig! -Und überhaupt. Woher kannte er Alettas Namen? Sie hatte ihm die junge Frau nicht vorgestellt. Und woher wusste er, dass sie zu ihren Eltern wollte und wo diese wohnten? Sabine sah ihn misstrauisch an. Aletta jedoch schien nichts bemerkt zu haben.
„Wenn er ein Freund von Ihnen ist und Sie ihm vertrauen, dann geht das schon in Ordnung", sagte Aletta zögernd. Der Vampir lächelte sie mit ungewöhnlich rosigen Lippen an.
Sabine fühlte, wie ihr übel wurde. Es war, als setze man eine Maus in den Fressnapf der Katze und versichere dem kleinen Nager, die Katze wäre ein Freund.
Sabine schüttelte den Kopf. „Vertrauen ist trügerisch. Wer kann schon von einem anderen Menschen sagen, dass er ihn kennt?"
Alettas Miene verdüsterte sich. Es war, als würden ihre Augen den Glanz verlieren. „Ja, da haben Sie recht."
Zu dritt gingen sie den Strandweg entlang, bis sie das im Grün versteckte Häuschen erreichten, in dem Aletta aufgewachsen war. Während die Frauen schwiegen und
Weitere Kostenlose Bücher