Feuer der Rache
war schwieriger, als sie sich das gedacht hatte, aber schließlich wurden sie in einem Labor der Kriminaltechnik fündig. Noch hatten die Kollegen die aufwendige DNA-Bestimmung nicht durchgeführt. Mit Erleichterung sah Sabine das Beweisstück in einem Abfluss verschwinden.
Sie mieden den Bereich der Abteilung 7 -organisierte Kriminalität -, in dem in einigen Zimmern Licht brannte. Sabine folgte Peter von Borgo zu den Büros der Mordbereitschaften im dritten Stock des Fingers B. Er öffnete ihr die Tür zu ihrem Büro. Die deutlichen Spuren eines fremden Benutzers auf ihrem Schreibtisch versetzten ihr einen Stich. Sicher saß Michael jeden Tag hier, bereitete sich auf Verhöre vor, wälzte Akten, besprach mit Sönke die nächsten Schritte. Ein paar ihrer Sachen hatte er in einem Karton auf ein Sideboard geschoben. Sie widerstand der Versuchung, wenigstens das Foto von Julia und Leila vom letzten Sommer wieder auf ihren Schreibtisch zu stellen.
„So leicht lasse ich mich nicht vertreiben", stieß sie hervor und warf die Akte mit der Aufschrift „von Everheest" heftiger auf den Tisch, als es nötig gewesen wäre. Die Kommissarin zog ihre Digitalkamera aus der Tasche und begann die einzelnen Seiten mit Gesprächsprotokollen, Personalien, Aktenvermerken und Fotos vom Tatort abzufotografieren.
Hoffentlich wurden die Bilder so scharf, dass sie die Texte an ihrem Computer zu Hause entziffern konnte. Ein paar Eintragungen überflog sie sofort. Dann nahm sie sich die Akte „Reeder" vor. Der Bericht der Rechtsmedizin war noch nicht abgeheftet. Vermutlich war Kai Reeder heute seziert worden, und die Bänder lagen noch bei einer Sekretärin im Institut zum Abtippen. Schade. Sie hätte gerne gewusst, welches Gift den Anwalt getötet hatte.
Zum Schluss stattete sie der „Leichen-und Vermisstenstelle" noch einen Besuch ab, um die Unterlagen über die vermisste Iris durchzusehen. Die Befragung von Busfahrern und dem Personal der S-Bahnen hatte nichts ergeben, dafür glaubten gleich zwei Angestellte der Fähren nach Wittenbergen sich an die junge Frau erinnern zu können. Der erste behauptete, sie sei auf der Fahrt um 18:55 Uhr in Blankenese zugestiegen -er habe die Taue am Op'n Bull'n festgemacht und ihr, als sie strauchelte, die Hand gereicht -, der zweite wollte sie gegen einundzwanzig Uhr auf der gleichen Strecke gesehen haben. Sabine vergewisserte sich, dass sie sich nicht verlesen hatte. Nein, es konnte sich nicht um die Rückfahrt handeln. Da stand eindeutig: von Blankenese nach Wittenbergen. Merkwürdig! Sie würde sich rund um den Anleger in Wittenbergen umhören müssen. Irrte sich einer der Männer, oder war Iris an diesem Tag wirklich zweimal dieselbe Strecke mit der Fähre gefahren? Wenn ja, warum?
„Es beginnt bald zu dämmern", teilte ihr Peter von Borgo mit. „Wenn du dir keine weiteren Fälle ansehen möchtest, dann würde ich vorschlagen, wir machen uns auf den Weg." Seine Stimme klang seltsam gepresst. Sabine sah auf und musterte ihn. Eine unterdrückte Unruhe ging von ihm aus.
„Ich bin gleich so weit. Zehn Minuten", sagte sie und wandte sich wieder dem Schreiben zu, das sie gerade in der Hand hielt Als sie ein paar Minuten später wieder aufsah, war Peter von Borgo nicht mehr im Zimmer. Die Kommissarin gähnte und rieb sich die Augen. Sie fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. Ein Blick auf ihre Uhr bestätigte, dass bereits Stunden vergangen waren, seit sie Blankenese verlassen hatten.
„Du hast recht. Lass uns gehen."
Keine Antwort. Sabine hastete zur Tür und sah den Gang entlang, konnte Peter von Borgo aber nirgends entdecken. Die Minuten verstrichen. Sie schaute auf ihre Uhr. Fünf Minuten, dann zehn, und noch immer blieb er verschwunden.
Was war nur in ihn gefahren? Ein Vampir musste nicht plötzlich aufs Klo oder lechzte nach einer Zigarette, wie es bei den lieben Kollegen stets der Fall war. Sie schlug sich mit der Hand an die Stirn. Verflucht! Sie hatte seine Unruhe gespürt und das Drängen in seiner Stimme gehört, aber ihr Verstand hatte nicht reagiert. Sabine stöhnte und ließ sich wieder auf den Schreibtischstuhl fallen. Sie versuchte sich nicht vorzustellen, wie der Vampir gerade seine Blutgier an einem Wachmann oder einem der Kollegen von der Siebten stillte. Sie hätte das bedenken und viel früher mit ihm von hier verschwinden müssen. Schließlich war der Grund für ihren Einbruch schon seit Stunden vernichtet.
Ich bin kein Vampirexperte, verteidigte sie sich vor sich
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