Feuer der Rache
könnte? Sie sah sogar Thomas Ohlendorf, der stets zu ihr gehalten hatte, ungläubig die Stirn runzeln und sich dann enttäuscht von ihr abwenden. Panik stieg in ihr auf. Was konnte sie tun? Sollte sie Sönke einweihen? Aber was würde das nützen? Er konnte nicht so weit gehen, Beweismaterial verschwinden zu lassen. So etwas durfte sie nicht von ihm verlangen. Er würde seinen Job verlieren, wenn jemand davon Wind bekäme. Ein bitteres Lächeln verzerrte ihre Lippen. Alles hing an einem Haar. Sagte man nicht so? Um Haaresbreite wäre sie entkommen ist sie aber nicht!
Ihr Blick wanderte zu ihrem Schlüsselbund. Verflucht! Ihre Zugangskarte funktionierte vermutlich noch, doch damit wurde auch gespeichert, wer wann gekommen und gegangen war -und zu welchen Abteilungen man sich Zugang verschafft hatte. Nein, da könnte sie es gleich ans schwarze Brett schreiben: Exoberkommissarin Berner ist gekommen, um Beweismaterial zu vernichten!
Und wenn sie morgen die Kollegen besuchen würde ganz harmlos? Ein wenig mit den Leuten in der Technik klönen -und dann wäre das Haar plötzlich weg? Nein. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie das unbemerkt hinbekommen sollte.
Die Panik ließ ihr Herz rasen. Gab es denn keinen Ausweg? Natürlich gab es ihn! Für einen Moment schloss Sabine die Augen und lauschte ihrem ruhiger werdenden Herzschlag. Warum war sie nicht gleich darauf gekommen? Er würde ihr helfen. Er würde ihr diese Bitte nicht abschlagen. Was aber wäre die Gegenleistung, die er dafür verlangen würde?, fragte sie sich bang.
Jetzt war nicht die Zeit zu zaudern! Sie griff nach ihrem Schlüsselbund und war schon auf dem Weg zur Tür, als ihr Blick auf ihr Spiegelbild fiel: das Gesicht ungeschminkt, mit hektischen Flecken auf den Wangen, das Haar unordentlich mit einem Band zurückgebunden, ein verwaschenes T-Shirt -mindestens zwei Nummern zu groß -über einer Leggins mit ausgebeulten Knien.
„Ach was", knurrte sie, „du gehst ja nicht zu einem Vorstellungsgespräch."
Sabine hatte die Haustür schon aufgezogen, als die Stimme ihrer Mutter sie zurückhielt: Kleider machen Leute, mein Kind, das ist leider so. Nun, bei Männern kann man darüber streiten, aber bei Frauen trifft das leider in allen Lebenslagen zu. Wenn du etwas erreichen willst, musst du dem Anlass entsprechend auftreten. Männer bevorzugen einen gefälligen Anblick!
Und Vampire?
Darauf wusste ihre Mutter keine Antwort.
Mit einem Seufzer schob Sabine die Wohnungstür wieder zu und lief ins Schlafzimmer. Die Sonne ging gerade erst unter. Wahrscheinlich war er noch nicht einmal wach, tröstete sie sich, während sie in Blusen und Tops, Hosen und Röcken wühlte. Was einem normalen Mann gefiel, konnte sie sich so ungefähr denken, aber welche Aufmachung würde Peter bevorzugen?
Sie hob einen engen Minirock in die Höhe, schob ihn aber wieder zurück in den hintersten Winkel des Schranks. Man musste ja nicht gleich übertreiben!
Zwanzig Minuten später eilte Sabine die Treppe hinunter: Das Haar gebürstet und an den Spitzen in Form geföhnt, die Wimpern getuscht -eine Schicht Puder verdeckte die roten Flecken auf den Wangen. Sie trug ein schwarzes Korsagentop und darüber eine durchscheinende Chiffonbluse. Der Rest musste allerdings praktisch sein oder sollte sie im Präsidium etwa in Pumps die Treppen hinaufklappern? Sie hatte sich für ihre elegante schwarze Stretchlederhose und die weinroten Sneakers entschieden. Damit war sie zumindest beweglich und konnte auf der Hayabusa mitfahren, statt sich in einem engen Kostümrock lächerlich zu machen.
„Peter?" Sie klopfte zum dritten Mal an die Mahagonitür. Nichts rührte sich. Verdammt! Hatte sie ihn verpasst? Es war doch noch nicht einmal richtig dunkel! Sabine umrundete das Haus und presste ihre Nase an die Scheibe, um in die dunkle Bibliothek zu sehen. Nichts. Der Flügel war geschlossen und abgedeckt, alle Bücher standen ordentlich in den raumhohen Regalen. Alles strahlte eine Leere aus, als sei hier schon lange niemand mehr gewesen. Er war nicht da. Ja, vielleicht nicht einmal in Blankenese. Vermutlich hatte er heute in einem anderen Unterschlupf geschlafen. Sie kannte sein Versteck in der Speicherstadt, wie konnte sie jedoch sicher sein, dass er nicht noch andere Domizile benutzte?
„So ein verfluchter Mist!"
„Du magst mich für altmodisch halten, aber ich finde, Fluchen steht einer Dame nicht gut zu Gesicht."
Sabine fuhr herum. Da stand er unter den Zweigen der Eiche und
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