Feuer fuer den Grossen Drachen
hatte, war längst gereinigt und mit Taiga 4 gefüllt.
Nichts ließ sich mehr rückgängig machen. Es war geschehen. Zwar durch ihn, aber eigentlich ohne ihn. Eine Macht, unbegreiflich und unfaßbar, hatte ihn gesteuert, ihn, den Roboter Konrad L. Kochale auf dem Planeten Terra. Es war geschehen, aber dennoch nur Fiktion. Alles Geschehen ist nur real, wenn wir glauben, daß es real ist. Und Kochale tat dies nicht mehr.
Er war ganz ruhig. Er war ein kleiner, unterbezahlter Anstreicher, der auf nichts anderes wartete als auf seinen Feierabend, seinen Schrebergarten, seine Tomatenstauden.
Doch plötzlich Lärm im Haus, Schwingungen wie vor einem nahen Erdbeben. So schnell die ersten Todesfälle?
Dubisch hastet vorbei, stößt ihn fast von der Leiter. «… ‘tschuldigung, muß meine Waffe holen – Türken-Bambule oben in DII. Das Essen soll vergiftet sein!»
Kochale läßt die Rolle in den Eimer klatschen, kapiert nicht das geringste. Wie denn das?
Andere Bedienstete hasten zur Waffenkammer. Aber noch immer kein Alarm. Der AL scheut alles, was draußen in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen könnte. Telefoniert erst mal, sichert sich ab.
Kochale hat die Vision, daß Hunderte von Türken mit gezückten Messern auf ihn losstürzen.
Wenn Hock nun gesungen hat? Möglich ist alles. Kochale springt von der Leiter, greift sich einen leeren Farbeimer und läuft zur Pforte. Schnell, aber nicht zu schnell.
Jetzt hört er das Toben oben auf der Türkenstation. Rhythmische Schreie. Alles, was aus Blech und Eisen ist, wird gegen die Mauern geschlagen.
Die eisernen Tore sind offen; eine Grüne Minna fährt ein, bringt Nachschub, neue Knackis. Kochale quetscht sich zwischen ihr und der Backsteinwand vorbei.
«Meine Farbe is alle!»
Die Beamten kennen ihn und lassen ihn passieren.
Er biegt um die Ecke und sieht, daß da, wo sie die neue, unüberwindbare Mauer hochziehen, ein kleines Malheur geschehen ist: eines der überdimensionalen Fertigteile hat beim Einschweben ein erhebliches Stück der alten Backsteinmauer niedergerissen. Der Kranführer, offenbar von der Mittagshitze geschädigt, dreht ein wenig durch. Die tonnenschwere Last ist nicht zu stoppen, schwingt weiter wie an einem Kettenkarussell. Die Bauarbeiter gehen in Deckung, Kochale wagt es nicht, zu seinem Variant zu springen. Der Beamte auf dem Wachtturm hat die Waffe abgelegt und starrt gebannt nach unten.
Endlich wird Alarm gegeben; wildes Sirenengetöse.
Und dann überschlägt sich alles.
Durch das frischgeschlagene Mauerloch hasten zwei Männer. Vorneweg Dubisch, der Leiter der Wirtschaftsverwaltung, und hinterher ein Türke: Niyazi, Dubischs Dienstwaffe in der Hand, den Lauf immer im Genick des Deutschen.
Kochale hat inzwischen sein Auto erreicht und die Tür aufbekommen, will nun starten.
Da ist Niyazi heran und erkennt seine Chance. Mit Dubisch als Schutzschild rafft er einen Stein vom Boden und schlägt das Wagenfenster ein. Die Tür ist schnell entriegelt, und als Kochale Gas geben kann, sitzt Niyazi neben ihm, Dubischs Dienstwaffe schußbereit.
«Los – nach Kreuzberg!»
Eher schon Formel I-Rennwagen als Nutzfahrzeug, schoß der Variant davon. Aber nun war auch Dubisch außer Gefahr, und der Mann auf dem Wachtturm konnte das Feuer eröffnen.
EIN PAAR TAKTE BÜRGERKRIEG
Durften sich deutsche Forscher noch ins Türken-Getto wagen? Konnten, nachdem der Ausländersenator nun die Mittel gesperrt hatte, die laufenden Projekte auch von daher zu Ende gebracht werden? Was nutzt die tiefgründigste Wirklichkeitsbeschreibung denn, so sein nicht von der Hand zu weisendes Argument, wenn diese Wirklichkeit schon morgen eine ganz andere sein wird?
Das Ende ihrer Ausländerforschung schien gekommen. Die kollektive Depression in Q-Müllers Büro blockierte jede Möglichkeit zu wissenschaftlicher Arbeit. Die IRMA- Leute suhlten sich in ihrer intellektuell-verspielten Larmoyanz. Herbert, marxbärtig und inzwischen reumütig zu Q-Müllers Forscherhaufen zurückgekehrt:
«Versteh ich nicht, daß die uns den Geldhahn zudrehen: Es kommt doch darauf an, die Welt so unterschiedlich zu interpretieren, daß man sie nicht mehr verändern kann. Und wenn man uns Forscher nicht mehr unterschiedlich interpretieren läßt, dann heißt das doch logischerweise: Revolution.»
Ein anderer, mehr einer system-theoretischen Denkweise verbunden, meinte dagegen, nur die absolute Nicht-Erforschung und Nicht-Interpretation der Wirklichkeit leiste diejenige
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