Feuer fuer den Grossen Drachen
Reih und Glied zum Essensempfang anzustellen. Die Thermophore wurde geöffnet, und Ismail kam mit einer großen Schöpfkelle, um unter Hocks Aufsicht mit der Verteilung zu beginnen. Yeşil fasulye – Grüne Bohnen.
Er rührte den ganzen Pamps noch einmal von Grund auf um; stieß dabei auf ein Stückchen Fleisch und schrie auf:
«Domuz eti!»
Schweinefleisch. Ein kleiner Scherz von Dubisch («… warum sollen unsere türkischen Freunde nicht auch an unserm Eisbeinessen teilhaben?»).
Schon hatte Ismail den wabbeligen Fleischhappen herausgefischt und hielt ihn hoch.
« Gelin! Yapın!»
Das war das Zeichen, und damit begann das, was später als ‹Türken-Bambule› bekannt werden sollte.
Sekunden später befanden sich Sozialarbeiter wie SG-Chef im Würgegriff zweier Türken, die erfahrene Ringkämpfer waren, während Bünyamin Hock von hinten gepackt hatte und ihm das scharfgeschliffene Küchenmesser gegen die Kehle drückte.
Alles war so lautlos abgelaufen, daß der dösende Aufpasser im ‹Cockpit› zunächst überhaupt nichts mitbekommen hatte.
«Nun friß den Scheiß mal selber!»
Ismail rührte im Bohnenmatsch herum und riß dann in einer blitzschnellen Bewegung die Schöpfkelle nach oben, Hock vollspritzend. Hock wollte zurückweichen, aber Bünyamin hatte ihn mit Pranken gepackt. Von Antilopen sagte man, sie würden, hätte der jagende Löwe sie erst mal am Genick gepackt, jenseits jeder Panik sein, schicksalsergeben, gänzlich gelöst. So auch Hock. Dies war kein Spiel mehr, und es war zu bezweifeln, ob ihm seine Judokünste, hätte er sie wirklich anzuwenden versucht, in dieser Situation viel geholfen hätten. Hock, der selber an Gewalt, an Gewaltanwendung glaubte, hatte einen sicheren Instinkt dafür, wer in bestimmten Situationen der Stärkere und wer der Schwächere war. Er wußte, daß der Haß die Kräfte der Türken multiplizierte, und seine schlaffe Demutshaltung war nichts weiter als die mechanische Reaktion eines Organismus, der überleben wollte.
Ismail versuchte, Hocks Zähne auseinanderzukriegen. Wie ein Tierarzt macht er das, beherrscht, fast behutsam. Tuğrul und die K-Y-Leute hatten immer wieder gewarnt: Nur keinen töten, keinen schwer verletzen – ihr verliert jede Chance, eure Lage zu verändern! Die Ismails erteilte Weisung war klar und eindeutig: unversehrte Geiseln.
Dann konnte man das Interesse bundes-, ja weltweit auf den Tempelhof er Ausländerknast konzentrieren.
Aber andererseits war Ismail monatelang von Hock gepiesackt, geschurigelt, gedemütigt worden. Bünyamin noch stärker, und der wußte wenig von der K-Y-Bewegung.
«Warum frißt das Schwein nicht?» Dieser Giaur!
Hock gelang es, die erste Ladung Bohnen wieder auszuspucken. Die Angst vor dem Gift wirkte seiner wohligen Lähmung entgegen, ließ sie schlagartig schwinden. Doch je mehr er sich wehrte, desto stärker reizte er die beiden Türken.
Wir wollen zurück nach Tegel und Plötzensee!
Schluß mit dem Ausländerknast!
Wir wollen Arbeit und Ausbildung, wir wollen Urlaub und Freigang!
Wir wollen bei unseren Familien bleiben – Schluß mit der Abschiebung!
Wir wollen türkische Zeitungen!
Wir wollen wie die Deutschen behandelt werden!
Menschenrechte – Menschenrechte!
Noch immer rangen sie mit Hock, noch immer wollte er nicht essen. Und dies, obwohl Bünyamins Messer seinen Hals Mal um Mal bedrohlicher berührte.
Erst nur Ritzer, waren es in dieser Sekunde schon tiefe Schnitte.
Ein Ausrutscher, die Klinge zieht eine tiefe Furche vom linken Backenknochen bis zum Kinn hinunter.
Doch Hock ißt auch jetzt noch nichts. Er weiß, daß es für diesen Typ von Botulin kein Gegenmittel gibt, und schon gar nicht, wenn er hier als Geisel festgehalten wird.
Da kommt Ismail ein Verdacht: «Habt ihr etwa den Fraß vergiftet?»
Von seinem Gesicht, das weiß Hock, ist deutlich abzulesen, daß das stimmt. Und darum schreit er Ismail entgegen, daß er es nicht gewesen sei, sondern der Maler unten im Gang zur Küche.
Doch es nützt ihm nichts mehr.
In den Aufschrei der Türken hinein, die das mitbekommen haben, sticht Bünyamin ihn nieder.
Ismail hat es nicht mehr verhindern können. Blutbespritzt steht er da und weiß, das alles aus ist.
Er sieht sich um und ruft nach Niyazi, dem Freund.
Doch Niyazi Turan ist verschwunden.
Kochale stand auf der Leiter und arbeitete, als würde ein REFA-Mann unter ihm stehen und seine Zeiten stoppen. Der kleine Eimer, in dem er die vergifteten Bohnen hereingebracht
Weitere Kostenlose Bücher