Feuer (German Edition)
daß man, wie von weitem den Gesang, auch von nahem das Tropfen von den Ruderschaufeln deutlich hörte.
»Das sind die Wiesenlerchen« – belehrte unterwürfig Zorzi: – »auch diese Ärmsten singen zum Lobe von San Francesco.«
»Weiter!«
Die Gondel flog über die milchweiße Fläche.
»Wollen wir bis nach San Francesco fahren, Fosca?«
Nachdenklich, mit gesenktem Haupte, saß die Frau da.
»Es liegt vielleicht ein verborgener Sinn in deiner Geschichte« – sagte sie nach einer Pause. – »Vielleicht habe ich ihn verstanden
»Mein Gott, ja; es ist vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen meinem Wagemut und dem des Muranesers. Ich glaube, ich sollte ebenfalls zur Warnung einen scharlachroten Faden um den Hals tragen.«
»Du wirst dein schönes Schicksal leben. Für dich fürchte ich nicht.«
Er hörte auf zu lachen.
»Ja, meine Freundin, lch muß siegen. Und du sollst mir helfen. Jeden Morgen erhalte auch ich einen drohenden Besuch: die gespannte Erwartung derer, die mich lieben, und derer, die mich hassen, meiner Freunde und meiner Feinde. Der Erwartung gebührt das Kleid des Henkers, denn Erbarmungsloseres ist nicht auf Erden.«
»Aber sie ist ein Maßstab deiner Kraft.«
Er fühlte den Schnabel des Geiers in seiner Leber wühlen. Instinktiv sprang er auf, von blinder Ungeduld ergriffen, die ihn selbst die langsame Fortbewegung des Schiffes als ein Leiden empfinden ließ. Warum säumte er? In jeder Stunde, in jedem Augenblick mußte er arbeiten, sich festigen, anwachsen, kämpfen gegen Zerstörung, Verringerung, gegen Gewalt und Ansteckung. In jeder Stunde, in jedem Augenblick mußte er die Augen fest aufs Ziel gerichtet halten, mit all seinen Kräften dahin streben, ohne Stillstand, ohne Straucheln. So schien die Begierde nach Ruhm stets einen kriegerischen Instinkt, elne Kampfeswut und eine feindselige Gewaltsamkeit in ihm zu entfesseln.
»Kennst du das Wort des großen Heraklit: ›Der Name des Bogens ist Bios , und sein Werk ist der Tod?‹ Das ist ein Wort, das diejenigen aufreizt, denen sein volles Verständnis noch nicht aufgegangen ist. Ich vernahm es fortwährend in meinem Innern, als ich in jener Herbstnacht, beim Epiphaniasfeste des Feuers, an deinem Tische saß. Ich hatte da eine Stunde wahrhaft dionysischen Lebens, eine Stunde kurzen, aber rasenden Rausches, als ob ich in mir jenen Feuerberg trüge, auf dem die entfesselten Mänaden heulen. Es kam mir wahrhaftig vor, als hörte ich hin und wieder Lärmen und Singen und das Geschrei eines fernen Gemetzels. Und ich staunte, daß ich regungslos blieb, und das Gefühl meiner körperlichen Regungslosigkeit erhöhte meine innere Raserei. Und ich sah nichts mehr als dein Gesicht, das mit einem Male wunderbar schön geworden war, und in deinem Gesicht die Kraft all der dir innewohnenden Seelen, und dahinter auch ferne Länder und Völker. Ach, wenn ich dir beschreiben könnte, wie ich dich sah! In dem inneren Aufruhr, während wunderbare, von Musik begleitete Bilder an mir vorüberzogen, sprach ich zu dir wie im Schlachtgetümmel und stieß Lockrufe aus, die du vielleicht vernommen hast, nicht nur der Liebe, sondern auch des Ruhmes wegen, nicht nur eines Durstes, sondern zwiefachen Durstes wegen und wußte selbst nicht, welcher der glühendere wäre. Und so wie dein Gesicht mir erschien, so erschien mir damals auch das Angesicht meines Werkes. Ich erschaute es! Verstehst du? Mein Werk wuchs in Wort, Gesang, Bewegung und Musik mit unglaublicher Schnelligkeit zu einem Ganzen und lebte ein so intensives Leben, daß, wenn es mir gelänge, auch nur einen Teil davon den Formen, die ich prägen will, einzustoßen, ich wahrhaftig imstande sein müßte, die Welt von mir zu entflammen.«
Er sprach mit verhaltener Stimme; und die erstickte Glut seiner Worte fand einen seltsamen Widerhall in diesem friedlichen Wasser, in diesem weißen Glanz, über dem der gleichmäßige Rhythmus der beiden Ruder ertönte.
»Zum Ausdruck bringen! Das ist das Notwendige. Die erhabenste Vision hat keinen Wert, wenn sie nicht, in lebendige Formen verdichtet, offenbar wird. Und mir bleibt alles zu schaffen. Ich gieße meinen Stoff nicht in ererbte Formen. Mein Werk ist von Grund aus neu. Ich muß und ich will einzig meinem Instinkt und dem Genius meiner Rasse gehorchen. Und doch: wie Dardi im Hause des Caterino Zeno jene berühmte Orgel sah, so sehe ich vor meinem Geiste ein anderes Werk, ein gigantisches, das ein gewaltiger Schöpfer hier, inmitten der Menschen,
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