Feuer (German Edition)
zu versengt sich ein Flügel an den Flammen des Schmelzofens, wenn Ornitio in das Eisen bläst, um aus der weißglühenden Glasmasse eine leuchtende, leichte Säule zu schaffen. Aber zuvor, welche endlosen Mühen, um ihn zu zähmen und anzulernen! Der Meister des Feuers beginnt lateinisch mit ihm zu sprechen und ihm etliche Verse des Vergil zu rezitieren, in der Meinung, verstanden zu werden. Aber Ornitio mit dem blauen Haupthaar spricht griechisch, natürlich mit etwas zischenden Lauten... Er weiß zwei Oden der Sappho, die den Humanisten unbekannt geblieben und die er an einem Frühlingstage von Mytilene nach Chios trug, auswendig; und während er die ungleichen Röhren bläst, erinnert er sich der Flöte des Pan... Eines Tages, ja eines Tages will ich dir alle diese Dinge sagen.«
»Und von was nährte er sich?«
»Von Blütenstaub und von Salz.«
»Und wer schaffte es ihm?«
»Niemand. Es genügte ihm, den Blütenstaub und das Salz, das in der Luft enthalten war, einzuatmen.«
»Und machte er keinen Fluchtversuch?«
»Fortwährend. Aber Dardi hatte endlose Vorsichtsmaßregeln getroffen, wie ein Verliebter, der er war.«
»Und liebte Ornitio ihn wieder?«
»Ja, er begann ihn wieder zu lieben, vornehmlich, weil ihm der scharlachrote Faden so wohl gefiel, den der Meister stets um seinen nackten Hals trug.«
»Und Perdilanza?«
»Schmachtete dahin in Schmerz und Verlassenheit. Ich will es dir eines Tages sagen... Eines Sommers will ich an den Strand von Pellestrina gehen und dort, in den goldenen Sand, diese schöne Geschichte für dich schreiben.«
»Aber wie endet sie?«
»Das Wunder erfüllt sich. Die Orgel der Orgeln erhebt sich in Temódia mit ihren siebentausend gläsernen Pfeifen, ähnlich einem jener vereisten Wälder, die Ornitio, der dazu neigte, seine Reisen aufzubauschen, im Lande der Hyperboreer gesehen haben wollte. Nun kommt der Himmelfahrtstag. Zwischen dem Patriarchen und dem Erzbischof von Spalatro naht der Serenissimo auf dem Bucentaur, von der San Marco-Lagune her. Ornitio meint, daß der Kronide im Triumph zurückkehrt, so groß ist das Gepränge. Rings um Temódia öffnen sich die Schleusen; und, getragen vom ewigen Schweigen der Lagune, verbreitet das gigantische Instrument unter den magischen Fingern des neuen Musensohnes eine so unermeßliche Woge von Harmonien, daß sie bis zum Festlande dringt und sich über das adriatische Meer ergießt. Der Bucentaur bleibt stehen, denn seine vierzig Ruder senken sich längs seiner Seiten wie Flügel, die erlahmen, von der fassungslosen Mannschaft den Seefischen überlassen. Aber plötzlich bricht die Woge sich, sie verwandelt sich in wenige mißklingende Töne, sie wird schwächer, sie erlischt. Dardi fühlt plötzlich, wie das Instrument unter seinen Händen dahinstirbt, als ob seine Seele verlösche, als ob tief in seinem Innern eine fremde Kraft das wundervolle Triebwerk zerstöre. Was ist geschehen? Er hört nur noch das Hohngebrüll, das über die verstummten Pfeifen dahinbraust, das Donnern der Geschütze, das wilde Rufen des Pöbels. Eine kleine Barke löst sich vom Bucentaur los, die den roten Mann mit dem Henkerblock und dem Beil trägt. Der Streich richtet sich nach dem scharlachroten Faden und trifft sicher. Der Kopf fällt; er wird ins Wasser geschleudert, wo er, wie jener des Orpheus, an der Oberfläche treibt ...«
»Was war geschehen?«
»Perdilanza hat sich in die Schleusen geworfen! Das Wasser hat sie hineingezogen in die Tiefen der Orgel. Ihr Korper mit seiner ganzen berühmten Haarpracht ist in das große und empfindliche Triebwerk geraten und hat in dem tönenden Innern als ein Hemmnis gewirkt ...«
»Aber Ornitio?«
»Ornitio bemächtigt sich des auf dem Wasser schwimmenden, blutigen Kopfes und entflieht meerwärts. Die Schwalben merken seine Flucht und folgen ihm. In wenigen Augenblicken bildet sich eine schwarzweiße Wolke von Schwalben hinter dem Flüchtling. In Venedig und auf den Inseln bleiben die Nester leer infolge dieses Vorzeitigen Aufbruchs. Der Sommer ist ohne Vogelflug, er September ohne den Abschied, der ihn traurig und heiter zugleich zu machen pflegte ...«
»Und Dardis Kopf?«
»Wo der ist, weiß niemand!« – schloß lachend der Erzähler.
Und er lauschte von neuem dem Gesang in den Lüften, in dem er einen Rhythmus zu unterscheiden begann.
»Hörst du?« – sagte er.
Und er gab den Schiffern ein Zeichen, anzuhalten. Die Ruder blieben in den Gabeln stehen. So allbeherrschend war das Schweigen,
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