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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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empfinden, der die unerwarteten Offenbarungen ihres tragischen Genius entquollen waren, die die Menge erschüttert und berauscht hatten, wie die Erscheinungen des Himmels und des Meeres, wie die Morgenröten, wie die Stürme? Als er von dem zitternden Sloughi sprach, hatte er da nicht erraten, aus welchen Analogien der Natur sie die Kraft des Ausdrucks schöpfte, der die Dichter und die Völker mit staunender Bewunderung erfüllte. Weil sie den dionysischen Sinn der schaffenden Natur wiedergefunden hatte, das alte Feuer der instinktiven und schöpferischen Kräfte, die Begeisterung für den vielfältigen Gott, der dem Gärstoff aller Säfte entstiegen war, darum erschien sie auf dem Theater so neu und so groß. Sie hatte in sich zuweilen fast den Beginn jenes Wunders gefühlt, das die Brüste der Mänaden mit göttlicher Milch schwellen ließ bei der Annäherung an die kleinen Panther, die nach Nahrung gierten.
    Hier stand sie im Grase, behend und rötlichgelb, wie das Lieblingswindspiel, voll von wirren Erinnerungen an eine ferne Herkunft, voller Leben und Verlangen, Unendliches zu leben in der kurzen Stunde, die ihr vergönnt war. Verschwunden waren die weichen Tränennebel, das schmerzvolle Sehnen nach Güte und Verzicht und alle aschgrauen Melancholien des einsamen Gartens. Die Gegenwart des Weckers erweiterte den Raum, veränderte die Zeit, beschleunigte die Pulse, vervielfältigte die Genußfähigkeit und schuf von neuem die Vorstellung eines prächtigen Festes. Und sie wurde noch einmal, wie er sie sich gestalten wollte, alles Elend und alle Furcht war vergessen, sie war geheilt von jedem traurigen Leiden, ein Geschöpf aus Fleisch und Blut, vibrierend in dem Licht, in der Wärme, in dem Duft, in der ganzen Fülle der Erscheinungen, bereit, mit ihm die heraufbeschworenen Ebenen zu durcheilen, die Dünen, die Wüsten, in der Raserei der Verfolgung sich zu erfreuen an dem Anblick des Mutes, der List und der blutigen Beute. Und von Augenblick zu Augenblick, indem er sprach und sich bewegte, schuf er sie seinem Vorbild immer ähnlicher.
    »Jedesmal, wenn ich den Hasen unter den Zähnen des Hundes verenden sah, ging es wie ein Blitz des Bedauerns durch meine Freude, wegen dieser großen, feuchten Augen, die erloschen! Größer als deine, Ali-Nour, und auch die deinen, Donovan, und leuchtend wie an Sommerabenden die Weiher mit ihren Binsenwäldern, die sich darin baden und mit dem ganzen Himmel, der sich darin spiegelt und sich darin verändert. Haben Sie je des Morgens einen Hasen die vom Pflug noch frische Furche verlassen und eine Weile über den silbernen Morgenreif laufen sehen, und wie er dann stillschweigend inne hält, sich auf die Hinterpfoten setzt, die Ohren spitzt und den Himmel anschaut? Es scheint, als ob sein Blick das ganze Universum mit Frieden erfüllen müsse. Der reglose Hase, der die dampfenden Felder betrachtet in einem Augenblick der Ruhe seines ruhelosen Lebens. Kein sichereres Anzeichen für den vollkommenen Frieden in der Runde könnte man sich vorstellen. In solchem Augenblick ist er ein heiliges Tier, das man anbeten muß ...«
    Lady Myrta brach in ihr jugendliches Lachen aus, das ihr glänzendes Gebiß bloßlegte und die an eine Schildkröte gemahnenden Runzeln unter ihrem Kinn in Bewegung setzte.
    »Teuerster Stelio!« – rief sie lachend aus. – »Erst anbeten und dann umbringen: ist das Ihr Brauch?«
    Die Foscarina sah sie erstaunt an, denn sie hatte sie vergessen; und nun erschien sie ihr, wie sie hier auf dieser von Flechten gelblich schimmernden Steinbank saß, mit den verkrüppelten Händen, mit dem Geglitzer von Gold und Elfenbein zwischen den schmalen Lippen, mit den kleinen grünlichen Augen unter den schlaffen Lidern, mit der heiseren Stimme und dem hellen Lachen, wie eine jener alten Zauberinnen, die durch den Wald humpeln, gefolgt von einer gehorsamen Kröte. Sie war so entrückt, daß die seltsamen Worte an ihr vorbeigingen, sie aber dennoch unangenehm berührten wie ein schriller Schrei.
    »Es ist nicht meine Schuld« – erwiderte Stelio – »daß die Windspiele geschaffen sind, um die Hasen zu töten, anstatt in einem Garten friedlich zu schlummern, der von den Wassern eines toten Kanals durch eine Mauer abgeschlossen ist.«
    Und wieder ahmte er die Kehllaute nach, mit denen man die Meute in den Jagdställen aufmuntert.
    »Crissa! Nerissa! Altair! Sirius! Piuchebella! Helion!«
    Die aufgeregten Hunde wurden unruhig, ihre Augen leuchteten auf; die dürren Muskeln

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