Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
fragte meine Mutter, verletzt von der Tatsache, dass ich diese Frage überhaupt zu stellen wagte. »Das würde er niemals tun.«
Sie hatte recht; von der Logik her war mir klar, dass er so etwas niemals sagen würde. Warum glaubte ich dennoch weiterhin meinem eigenen bizarren Gedächtnis mehr als einer Beziehung, die sich über Jahre bewährt hatte? Und warum blieben diese speziellen Erinnerungen intakt? Wenn ich keine Geisteskrankheit hatte, wie kamen dann diese Halluzinationen zustande?
Auch wenn Halluzinationen, Paranoia und ein Scheinzugriff auf die Realität die Kennzeichen von Patienten mit Schizophrenie sind, muss man nicht an einer Geisteskrankheit leiden, damit diese Symptome hervorgerufen werden. 2010 trug eine Studie der Cambridge University dazu bei, Licht in den Denkprozess von Schizophrenen zu bringen, indem gesunden freiwilligen Studenten die Droge Ketamin injiziert wurde – die dieselben NMDA-Rezeptoren im Gehirn hemmt, die von meiner Krankheit betroffen sind – und man mit ihnen den als »Gummihand-Illusion« bekannten Test durchführte. Man bat 15 Studenten, eine Hand auf den Tisch neben eine Gummihand zu legen, einmal nachdem man ihnen Ketamin injiziert hatte und in einer späteren Sitzung, nachdem man ihnen ein Placebo verabreicht hatte. Während des Experiments war die echte zweite Hand vor den Blicken der Versuchspersonen verborgen, als zwei elektrisch angetriebene Pinsel die Zeigefinger beider Hände streichelten. Zwar fielen auch Probanden, die Placebo erhalten hatten, auf den Trick herein, die Probanden, die Ketamin erhalten hatten, hatten jedoch früher und intensiver die Empfindung, die Gummihand sei ihre. Das Experiment zeigte, dass die Ketamin-Injektionen, aus welchem Grund auch immer, den Realitätssinn der Probanden zusammenbrechen ließen, sodass Dinge, die für einen rationalen Geist normalerweise unmöglich scheinen würden, wie die Fähigkeit, jemanden durch Gedanken altern lassen zu können, plötzlich möglich erscheinen.
Seit Jahrzehnten wird das Phänomen mit Tests wie der Gummihand-Studie erforscht, dennoch faszinieren Halluzinationen die Forscher noch immer und es besteht noch kein Einvernehmen über ihre Grundmechanismen und warum es sie überhaupt gibt.
Alles, was wir wissen, ist, dass sie auftreten, wenn das Gehirn eine Empfindung von außen wahrnimmt – sei es ein Blick, ein Geräusch oder eine Berührung –, ohne dass eine entsprechende äußere Quelle da wäre; die Unterscheidungsfähigkeit zwischen außen und innen versagt, man spricht dabei von der Theorie der Selbststeuerung.
Und genau aus dem Grund, weil diese Halluzinationen selbsterzeugt sind, sind sie so glaubwürdig und bleiben lebhaft in Erinnerung, erklärte Psychologieprofessor Dr. Philip Harvey. Man nennt dies den Generierungseffekt: »Weil diese Halluzinationen selbst erzeugt wurden«, sagte mir Dr. Harvey, »können Sie sich besser daran erinnern.«
Auch wenn Menschen mit Schizophrenie kognitive Probleme und Gedächtnislücken zeigen, können sie sich ebenso gut erinnern wie Gesunde, wenn sie ihr Gedächtnis selbst strukturieren müssen. Schizophrene beispielsweise erinnern sich an eine Wörterliste am besten, wenn man sie bittet, aus den Wörtern eine Geschichte zu bilden, und nicht, wenn sie sich die Wörter direkt und ohne Gedächtnisstütze merken sollen.
Dies braucht man nur mit der Tatsache verbinden, dass diese Kopf-Reisen stark emotional besetzt sind und daher vom Hippocampus und der Amygdala, die bei meiner Erkrankung beide betroffen waren, als wichtig markiert werden. Die Amygdala, eine mandelförmige Struktur auf dem Hippocampus, die seitlich am Kopf über den Ohren in den Temporallappen liegt, ist eng in Emotionen und das Gedächtnis involviert. Sie hilft bei der Auswahl, welche Erinnerungen behalten und welche ausgesondert werden sollen, wobei sich die Entscheidung darauf stützt, ob ein Ereignis uns traumatisiert oder angeregt hat. Der Hippocampus verbindet die Erinnerung mit einem Kontext – beispielsweise Krankenhauszimmer und lila Dame – und die Amygdala liefert die Emotion dazu: Angst, Erregung und Schmerz.
Wenn die Amygdala die Erfahrung mit einem hohen emotionalen Wert kennzeichnet, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie abgespeichert wird. Dieser Vorgang wird als Encodierung bezeichnet und er geht schließlich ins Gedächtnis ein, was man Konsolidierung nennt. Hippocampus und Amygdala tragen zur Encodierung und Konsolidierung der Erfahrung bei, sie speichern sie
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