Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
nicht und behindert auch nicht meine Entschlossenheit, aber ich lebe mit ihr. Freunde und Verwandte, die ich befragte, würden nie den Begriff »schreckhaft« verwenden, um mich zu beschreiben, aber hin und wieder, wenn ich in der U-Bahn fahre und die Farben heller als sonst erscheinen, denke ich: Macht das die Beleuchtung oder werde ich wieder verrückt?
Und wie sieht es mit den subtileren Veränderungen aus, die nicht greifbar oder leicht zu benennen sind? Ich fragte Stephen, ob er mich verändert empfinde, ob ich unter kognitiven Defekten leide, über die ich mir nicht im Klaren bin? Nach einem Moment schüttelte er den Kopf. »Nein, ich denke nicht.« Aber er wirkte unsicher.
Die Menschen, die mir am nächsten stehen, haben sich zweifellos mit mir verändert, vielleicht sogar stärker. Stephen, der früher immer völlig entspannt war, ist jemand geworden, der sich viele Sorgen macht, besonders, wenn es um mich geht.
»Hast du dein Handy dabei? Wie lange wirst du fort sein? Ruf mich gleich an, wenn du losgehst«, wiederholte er oft und rief mich ständig an oder schickte SMS, wenn ich einmal nur wenige Minuten nicht ans Telefon ging.
Noch lange nach meinem Krankenhausaufenthalt betrachtete Stephen mich wie ein feines und anfälliges Porzellanteil, das leicht zerbrechen konnte, und spielte weiterhin meinen Beschützer vor den Sprüngen und Rissen des echten Lebens. Auch wenn ich ihm dafür in alle Ewigkeit dankbar bin, brachte es mich gelegentlich doch zur Verzweiflung, wenn er diese Rolle nicht aufgeben konnte. Wie konnte ich ihm die Schuld daran geben? Aber ich tat es. Diese Art des Bemutterns zu akzeptieren, war meiner normalerweise sehr selbstbewussten und unabhängigen Persönlichkeit völlig entgegengesetzt. Daher kämpfte ich dagegen an, indem ich absichtlich länger ausblieb, ohne anzurufen, und ihn bewusst verärgerte wegen seines ständigen Nachhakens. Erst als ich mich benahm wie ein erwachsener Mensch, begann Stephen mich auch als solchen zu behandeln, und langsam wurden wir wieder gleichberechtigt und entwickelten eine gesunde Beziehung, die sich sehr stark von der Pfleger-Patient-Beziehung unterschied, die sich unter dem harten Licht des Krankenhauszimmers entwickelt hatte. Aber er sorgt sich natürlich noch immer und ich zweifle, dass sich das je ändern wird. Seine Gedanken gehen oft zurück in diese Nacht in meiner Wohnung in Hell’s Kitchen, als ich meine Augen verdrehte und sich mein Körper versteifte und sich unser beider Leben für immer veränderte.
Es gibt jedoch auch Dinge, die sich nicht geändert haben. Meine Eltern, die kurzzeitig in der Lage gewesen waren, während meines Krankenhausaufenthalts ihre tief verwurzelten Animositäten beiseitezulassen, konnten diese höfliche Beziehung nicht mehr aufrechterhalten, nachdem ich wieder Ich geworden war. Ohne die Arzttermine, bei denen sie zwangsläufig Kontakt gehabt hatten, verfielen sie wieder in ihre Routine und mieden einander, daran konnte nicht einmal die Tatsache etwas ändern, dass ihre Tochter dem Tod so nahe gewesen war.
»Die Menschen verändern sich nicht«, sagen sie. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich in die sechste Klasse kam und die Vertrauenslehrerin uns in ihr Büro führte, um den Übertritt von der Grundschule in die Mittelschule mit uns zu besprechen. Sie bat mich, aus einer Liste von etwa 50 Smileys den auszusuchen, der meinem Gefühl am ersten Schultag entsprach. Ich wählte »ekstatisch«, ein Symbol mit weit offenem, lachenden Mund. Die Lehrerin war überrascht von meiner Wahl, die offenbar nicht häufig vorkam. Ich war damals ekstatisch, aber würde ich das heute wieder wählen? Oder habe ich nach allem, was geschehen ist, den Schwung verloren? Gibt es da einen kleinen Teil in mir, der sich von dem Feuer im Kopf noch nicht erholt hat?
Kapitel 51
Fluchtgefahr?
D ie betrügerische EEG-Schwester, das Heer von Paparazzi, die meinen Vater bei der Topmeldung in der Nachrichtensendung umringten, die Beleidigung, die mein Stiefvater mir lautlos zurief. Diese absurden Erinnerungen sind noch vorhanden, während andere, tatsächliche und dokumentierte Ereignisse wie Wasser durch mein Gedächtnis rinnen. Wenn alles, woran ich mich erinnere, Halluzinationen sind, wie kann ich dann meinem eigenen Geist vertrauen?
Bis zum heutigen Tag kämpfe ich damit, Tatsachen von Fiktion zu unterscheiden. Ich fragte meine Mutter sogar, ob Allen mich an jenem Tag im Auto tatsächlich als Luder beschimpft habe.
»Machst du Witze?«,
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