Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
starteten eine Verleumdungskampagne gegen die Post, beantragten bei Gericht einen Maulkorberlass, während die örtlichen und nationalen Medien anfingen, im Live-TV über meine Methoden zu diskutieren und die Ethik von Interviews im Gefängnis und in der Boulevardpresse im Allgemeinen kritisch zu hinterfragen. Paul fing in dieser Zeit einige tränenreiche Anrufe von mir ab, was uns sehr verband, und letztlich stärkten mir sowohl die Zeitung als auch ihre Redakteure den Rücken. Auch wenn mich diese Erfahrung aus dem Konzept gebracht hatte, machte sie mir auch Appetit, und ich wurde von da an die hauseigene »Gefängnisreporterin«. Devlin wurde schließlich zu einer dreimal lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt.
Dann war da diese Story mit den Po-Implantaten, »Gefahr von hinten« 3 , eine Überschrift, die mich noch immer zum Lachen bringt. Ich musste undercover als Stripperin losziehen und mich bei einer Frau nach einer preiswerten Po-Verschönerung erkundigen, die diese illegal in einem Hotelzimmer in der Stadtmitte anbot. Als ich dort vor ihr stand, mit meinen Hosen um die Knöchel, versuchte ich, mich nicht beleidigt zu fühlen, als sie verkündete, sie müsste »pro Pobacke 1000 Dollar« nehmen, das war das Doppelte von dem, was sie einer Frau abgeknöpft hatte, die sich bei der Post gemeldet hatte.
Journalismus war aufregend; ich hatte es immer geliebt, eine Realität zu erleben, die »fabelhafter« war als jeder Roman, wobei ich noch nicht wusste, dass mein Leben soeben dabei war, so bizarr zu werden, dass es einer Titelgeschichte in meinem geliebten Boulevardblatt würdig wurde.
Obgleich ich bei dieser Erinnerung lächeln musste, wanderte auch dieser Ausschnitt auf den wachsenden Abfallhaufen – »wo er hingehört«, spottete ich, trotz der Tatsache, dass solche verrückten Storys das Leben für mich bedeutet hatten. Dieses gleichgültige Wegwerfen meiner jahrelangen Arbeit empfand ich in diesem Moment zwar als Notwendigkeit, es war jedoch völlig untypisch für mich. Ich war eine nostalgische Sammlernatur, hob Gedichte auf, die ich in der vierten Klasse geschrieben hatte, und gut 20 alte Tagebücher aus meiner Zeit in der Mittelstufe. Obgleich kaum eine Verbindung zwischen meiner Wanzenhysterie, meiner Vergesslichkeit in der Arbeit und meinem plötzlichen Drang auszumisten zu bestehen schien, wusste ich damals noch nicht, dass eine Wanzenmanie ein Symptom für eine Psychose sein kann. Dieses Problem ist nur wenig bekannt, denn Menschen, die unter einem Dermatozoenwahn, der auch als Ekbom-Syndrom bezeichnet wird, leiden, konsultieren aller Wahrscheinlichkeit nach einen Kammerjäger oder Dermatologen wegen ihres eingebildeten Parasitenbefalls und keinen Psychologen oder Psychiater, sodass die Diagnose häufig nicht gestellt wird. Mein Problem, so stellte sich heraus, war bei Weitem größer als ein juckender Unterarm und ein vergessenes Meeting.
Nachdem ich Stunden damit zugebracht hatte, alles wegzupacken, um eine wanzenfreie Zone zu schaffen, fühlte ich mich noch immer nicht besser. Als ich dort neben den schwarzen Müllsäcken kniete, durchfuhr mich plötzlich ein schrecklicher Schmerz in der Magengrube – diese wellenartige Angst, die man bei einer Tragödie oder einem Todesfall empfindet. Als ich wieder aufstand, fuhr ein scharfer Schmerz durch meinen Kopf, wie ein Migräneanfall, obgleich ich bisher nie daran gelitten hatte. Als ich ins Bad stolperte, reagierten meine Beine und mein Körper nur langsam und ich fühlte mich, als würde ich mich mühsam durch Treibsand arbeiten. Ich bekomme wohl eine Grippe , dachte ich.
~
Es war keine Grippe, genauso wenig, wie es in meiner Wohnung Wanzen gab. Wahrscheinlich jedoch hatte irgendein Krankheitserreger meinen Körper befallen, ein kleiner Keim, der alles in Bewegung setzte. Vielleicht ein Krankheitserreger von dem Geschäftsmann, der mich wenige Tage zuvor in der U-Bahn angeniest hatte und Millionen Viren auf uns Mitfahrer in dem U-Bahn-Wagen losgelassen hatte? Oder war der Erreger in irgendeinem Essen gewesen oder durch eine winzige Hautwunde in mich eingedrungen, vielleicht durch einen dieser rätselhaften Wanzenbisse?
Darüber denke ich immer wieder nach.
Die Ärzte wissen tatsächlich nicht, wie alles anfing. Klar ist, dass, »wenn dieser Mann Sie angeniest hätte, Sie lediglich eine kleine Erkältung bekommen hätten«. Bei mir jedoch kehrte sich das ganze Universum um und ich wäre um ein Haar für den Rest meines Lebens in einer
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