Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Presseabteilung?«
    »Fragen beantworten, die ich vorher anderen gestellt habe«, antwortete Will. Er machte eine entsprechende Kopfbewegung in die Dunkelheit jenseits des Schachtes hinein. »Was ist dort hinten?«
    Das war die falsche Frage. Er hätte den anderen nicht einmal ansehen müssen, um das zu spüren. Rasch, bevor der Mann nachhaken konnte, fuhr er fort: »Haben Sie eine Lampe für mich?«
    »Sie wollen doch da nicht rein? Nicht mit Ihren Klamotten!«
    Es schien zu funktionieren. Zumindest im Moment zweifelte der andere mehr an seinem Verstand als an seiner Legende. »Manchmal ist das Leben hart.«
    Zwei oder drei Sekunden lang blickte er ihn noch zweifelnd an, dann drehte er sich mit einem angedeuteten Kopfschütteln um und ging zu seinen Kollegen, um einen Moment später mit einem klobigen Handscheinwerfer zurückzukommen. Die Männer waren insgesamt zu viert: Zwei von ihnen sahen nicht einmal von ihrer Tätigkeit auf, sondern fuhren fort, zu tun, was immer sie taten, während der dritte – Will vermutete, dass es Toni war, mit dem sich sein Führer schon auf der Leiter unterhalten hatte – den Kopf drehte und für Wills Geschmack eindeutig zu lange und stirnrunzelnd in seine Richtung blickte. Dann tat er etwas, was Will wirklich beunruhigte: Er griff unter seine orangerote Latzhose, zog ein Handy hervor und klappte es auf. Eine oder zwei Sekunden lang blickte er stirnrunzelnd auf das kleine Display, bevor er das Gerät mit einem angedeuteten enttäuschten Achselzucken wieder einsteckte. Will vermutete, dass das Gerät hier unten nicht funktionierte. Aber seine Erleichterung hielt nur einen Atemzug.
    Der Mann wandte sich keineswegs wieder seiner Arbeit zu, sondern bedachte ihn mit einem weiteren, ganz unverhohlen neugierig-misstrauischen Blick und ging dann langsam, aber auch sehr zielstrebig auf die Leiter zu, über die sie heruntergekommen waren. Seine Tarnung war aufgeflogen, begriff Will. Vielleicht noch nicht ganz, aber die Lunte brannte bereits.
    »Gehen Sie bloß nicht zu weit«, sagte sein Führer, während er ihm die Lampe reichte. Die Worte machten zugleich klar, dass er nicht gedachte, ihm in den verkohlten Bereich jenseits des Schachtes zu folgen. »Da hinten ist es nicht nur dreckig. Das ist das reinste Labyrinth, in dem man sich problemlos verirren kann.«
    Will schaltete den Handscheinwerfer ein und drehte sich mit einem wortlosen Nicken herum. Hinter ihm erklang das typische Geräusch von Schritten auf einer Aluminiumleiter. Will musste den unangenehm berührten Gesichtsausdruck, mit dem er sich in Bewegung setzte, nicht einmal mehr schauspielern. Toni war auf dem Weg nach oben, um entweder Bergmann anzurufen und sich nach dem angeblichen Pressesprecher zu erkundigen, oder gleich mit einem Polizisten zurückzukommen. Vielleicht sogar beides.
    Will richtete den Strahl des Handscheinwerfers nach vorne. Der Gang setzte sich auf unbestimmte Entfernung auf der anderen Seite fort, aber es war nicht zu erkennen, wie weit. Eine schmierige Schicht aus Ruß und verbranntem Schmutz bedeckte Boden, Wände und Decke, die das Licht des Scheinwerfers regelrecht zu verschlucken schien, so dass es beinahe unmöglich war, die Entfernung zu schätzen. Aber die Lampe war ziemlich stark.
    Und da war noch etwas. Das Feuer war wieder da. Will versuchte vergeblich, sich selbst davon zu überzeugen, dass dieses Gefühl ebenso unsinnig wie närrisch war.
    Das Feuer war da, und er war nicht der Einzige, der es spürte. Die Warnung seines Führers bezog sich nur vordergründig auf den Schmutz und die eher hypothetische Gefahr, sich zu verirren. Tief in sich spürte er das Ungeheuer, das dort vorne in der Dunkelheit auf sie lauerte, ebenso deutlich wie er – aber natürlich war er ein viel zu rationaler und aufgeklärter Mensch, um das zuzugeben.
    Es war tiefe Schwärze, in die ich eintauchte, kaum dass die Haustür hinter mir zugefallen war, gleichermaßen verlockende wie bedrängende Schwärze, die alles ausschloss, was hinter mir war, und mich einhüllte wie ein wärmender Mantel. Ich stolperte halbblind vorwärts, mit ausgestreckten Händen und voller Angst, hier auf jemanden zu stoßen, der gleich mir Zuflucht vor den spanischen Truppen genommen hatte. Alle waren meine Feinde – die Spanier, die Stadtbewohner, die Truppen Gebhards – , doch noch mehr als sie fürchtete ich das, was die Stadt verheert hatte, das Ungeheuer, das einmal von den Ketten gelassen nicht eher ruhen würde, bis es alles verschlungen

Weitere Kostenlose Bücher