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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorbei einen Blick in die Tiefe zu erhaschen, konnte aber nur gelbes Licht und schwach schimmernden Stein erkennen. Aus der gleichen Bewegung heraus warf er einen raschen Blick über die Schulter zurück, und was er durch den schmalen Spalt in der Zeltplane sah, ließ sein Herz ein wenig schneller schlagen. Der Polizeibeamte hatte seine Zigarette weggeworfen und bewegte sich in seine Richtung. Er schloss die Jacke, während er auf das Zelt zukam, und auf halbem Wege zog er die Dienstmütze unter dem linken Am hervor und setzte sie auf. Das würde er wahrscheinlich nicht tun, wenn er nur zu seinem Wagen zurückgehen wollte.
    Will schätzte, dass er in spätestens zehn Sekunden hier war. Und er war ziemlich sicher, dass er sich nicht mit einer improvisierten Ausrede zufrieden geben würde.
    »Wenn ich schon mal da bin, kann ich die Proben doch auch gleich selbst mitnehmen«, sagte er. »Vielleicht beruhigt sich Bergmann dann ja wieder.«
    Sein Vorstoß war gewagt, das war ihm klar. Aber der Polizeibeamte war jetzt höchstens noch fünf Sekunden von ihm entfernt, und selbst wenn er ihn nicht erkannte, musste ihm spätestens nach dem ersten Wortwechsel klar werden, dass hier etwas nicht stimmte. Will hatte gar keine andere Wahl, als die Flucht nach vorne anzutreten. Und es funktionierte. Der andere maß ihn – und vor allem seinen nagelneuen Anzug – mit einem langen, zweifelnden Blick, aber dann deutete er ein Achselzucken an und begann ohne ein weiteres Wort die Leiter wieder hinabzusteigen.
    Will ging um das Loch herum, angelte umständlich mit dem Fuß nach der nächsten erreichbaren Leitersprosse und folgte ihm, wobei er es fast krampfhaft vermied, nach unten zu blicken. Er war durchaus schwindelfrei, aber auf Leitern hatte er sich noch nie wohl gefühlt; schon gar nicht auf einer billigen Haushaltsleiter, die mindestens fünf oder sechs Meter in die Tiefe führte und schon unter der Last eines Menschen bedrohlich ächzte.
    Als er den zweiten Fuß auf der Sprosse hatte und herabzusteigen begann, wurde die Zeltplane weiter zurückgeschlagen, und der Polizeibeamte lugte herein. Er sagte nichts, sondern sah Will nur fragend und durchdringend für vielleicht zehn Sekunden an, dann nickte er leicht.
    Will erwiderte seinen Gruß und sah nun doch nach unten. Das mulmige Gefühl, das er sowieso schon hatte, wurde noch stärker, als er sah, dass seine vollkommen willkürliche Schätzung der Wahrheit unangenehm nahe gekommen war. Die Leiter war zu ihrer ganzen Länge ausgefahren worden und führte mindestens sechs oder sieben Meter weit in die Tiefe, wenn nicht mehr. Das Licht war dort unten so grell, dass er nur Schemen erkennen konnte, obwohl er eine getönte Brille trug. Selbst der Mann unter ihm, der deutlich schneller die Leiter herabkletterte, war nur noch als schwarzes Schemen zu erkennen, wie eine Statue, die langsam in der Glut eines Hochofens verschwand.
    Und es war warm. Merklich wärmer, als es ein paar Meter unter der Erde sein sollte, selbst im Hochsommer.
    Will widerstand der Versuchung, noch einmal zu dem Polizisten hinzusehen, sondern kämpfte sein Unbehagen nieder und kletterte schneller weiter.
    Obwohl die Stelle über seinem Knöchel kaum noch schmerzte und er sich deswegen wieder fast normal bewegen konnte, brauchte er doppelt so lange wie sein Führer, um das Ende der Leiter zu erreichen. Aber als er unten ankam, hatten sich seine Augen zumindest so weit an das grelle Licht gewöhnt, dass er seine Umgebung wenigstens teilweise erkennen konnte.
    Der halbrunde, gut drei Meter hohe Gang gehörte zur Kanalisation. Es stank durchdringend nach abgestandenem Wasser, Moder und Fäkalien, vor allem aber nach heißem Stein und verbranntem Metall.
    Der Gestank, der mir entgegenschlug, drohte mir den Atem zu nehmen. Aber ich kümmerte mich nicht darum, ich hetzte weiter, so schnell mich meine Beine trugen, weg von der Meute, die mir und Maria die Schuld an dem Großbrand geben wollte, dem bereits der Hafen und die angrenzenden Gebäude zum Opfer gefallen waren; ich hetzte die Straße entlang, auf das mächtige Obertor zu, das normalerweise von schwer bewaffneten Posten bewacht wurde, die jederzeit bereit waren, das Fallgitter herunterrasseln zu lassen, das die Feldseite von der Stadt trennte, und auch im Gebrauch ihrer Schwerter alles andere als zimperlich waren.
    Jetzt war der lang gestreckte, dunkle, in die Ausfallstraße nach Süden mündende Torgang unbewacht. Ein grässlicher Odem aus Fäulnis und Tod stieg

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