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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die bizarre Vorstellung erwehren konnte, sie tatsächlich fühlen zu können, wie eine sachte, aber unangenehme Berührung auf der Haut.
    Er blieb stehen, senkte den Scheinwerferstrahl zu Boden und sah in die Richtung, aus der er gekommen war. Er erschrak ein wenig, als ihm klar wurde, wie weit er sich schon von den Männern entfernt hatte. Er sollte zurückgehen, solange er es noch konnte.
    Wahrscheinlich hätte er es sogar getan, wäre Toni nicht in diesem Moment die Leiter wieder heruntergekommen, und er war nicht allein. Ein Paar dunkelgrüner Hosenbeine tauchte über ihm auf der Leiter auf. Er war nicht nach oben gegangen, um Bergmann anzurufen. Jedenfalls nicht nur.
    Nun hatte er keine Wahl mehr. Den Scheinwerfer immer noch zu Boden gerichtet, um wenigstens zu sehen, wohin er seine Füße setzte, wenn schon nicht direkt, wohin er ging, wandte er sich wieder um und setzte seinen Weg fort. Er glaubte nicht, dass der Polizist wusste, wer er war, aber er konnte sich auch eine rein routinemäßige Überprüfung seiner Person nicht leisten. Immerhin war er offiziell tot, und wenigstens für eine gewisse Zeit gedachte er das auch noch zu bleiben. Obwohl er sich mit jedem Schritt, den er tiefer in den Tunnel eindrang, unwohler zu fühlen begann, ging er nur noch schneller. Auch die Stimmen blieben jetzt hinter ihm zurück, und zumindest in einem Punkt erwies sich die schwarze Schmiere auf dem Boden als nützlich: Seine Schuhe schienen noch immer daran festzukleben, aber sie verschluckte auch das Geräusch seiner Schritte nahezu vollkommen, und sie absorbierte den Großteil des Lichtes, das der Handscheinwerfer spendete. Will nahm an, dass er für jeden, der ihm in mehr als einem Dutzend Schritte Abstand folgte, so gut wie unsichtbar war.
    Flüchtig richtete er den Strahl des Scheinwerfers nach vorne, um sicherzugehen, dass er nicht unversehens gegen ein Hindernis lief oder in ein Loch fiel, und wandte dann im Gehen den Kopf. Das Licht hinter ihm war zu einem matten roten Schimmer geworden, in dem sich Schatten bewegten, die nicht mehr genau zu identifizieren waren. Da war kein anderes Licht, das sich in seine Richtung bewegte. Niemand verfolgte ihn. Und doch war ihm, als wäre da etwas anderes, als würde die Umgebung um ihn herum zu etwas anderem werden, zu etwas Dunklem, Dräuendem, zu einem fast pechschwarzen Kellergewölbe …
    Das Rascheln war das von Stoff, und das Klirren das von Waffen. Irgendetwas zischte auf und dann breitete sich ein heller, in meinen Augen schmerzender Lichtschein aus. Meine Hand fuhr automatisch zum Gürtel, dorthin, wo ich den Schmiedehammer verklemmt hatte – aber ich ließ ihn stecken, wo er war. Der Span, der aufgeflammt war, entzündete die Kerze in der Hand eines Mannes, und kurz darauf tauchte ein warmer, gelblicher Schein den Keller in ein überraschend helles Licht. Es waren zwei Männer, die nur wenige Schritte vor mir standen: der Zimmermannmeister Gernot und der Wagner Diether.
    »Wieland.« Gernots Stimme klang gepresst, als er meinen Namen aussprach. Auf seiner Stirn perlte frischer Schweiß. »Ich hätte es mir denken können. Warum gibst du nicht endlich Ruhe?«
    Nur mit Mühe gelang es Will, das Bild des mittelalterlichen Gewölbes zurückzudrängen, in dem ihm zwei fremde Männer gegenüberstanden, so plastisch, als sähe er sie leibhaftig vor sich. Es wurde schlimmer. Bislang war es nur das kurze Aufflackern fremder Bilder gewesen, doch jetzt … es war beinahe so, als würde er in die alte Geschichte mit hineingesogen, die sich ihm so aufdrängte, als sei sie einst tatsächlich genauso passiert – obwohl sie doch kaum mehr als der Beweis dafür war, dass er anfing, die Kontrolle über sich zu verlieren, wenn nicht Schlimmeres. Solange er denken konnte, waren da immer wieder fremde Bilder in ihm gewesen, und er hatte sie für einen Wesenzug gehalten, der vielleicht etwas sonderbar, aber doch nicht wirklich bedrohlich war. Doch bislang waren sie auch noch nie so übermächtig geworden, dass er Fantasie und Wirklichkeit kaum auseinander halten konnte …
    Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich dagegen mit aller Willenskraft auf seine direkte Umgebung, die sich fast unmerklich zu verändern begann, je weiter er kam. Die Wände zeigten noch immer Brandspuren, aber sie waren hier nicht mehr ganz so deutlich, und zwischen dem zusammengebackenen Morast auf dem Boden schimmerte es hier und da schon wieder feucht. Er entfernte sich ganz eindeutig vom Zentrum der

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