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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mir in die Nase, schlimmer noch als das, was mich die letzten Tage verfolgt hatte, gespeist durch die Feuersbrunst, die den größten Teil der Stadt verheert hatte; aber es war auch Blutgeruch in der Luft und der leicht süßliche Verwesungsgestank, der schon seit Tagen über den Gassen und Straßen gehangen hatte, seitdem die Spanier unser Heer niedergemacht hatten. Auf dem Wehrgang, der sich über das Tor spannte, lagen die Erschlagenen und von Pfeilen Durchbohrten, und in dem dunklen Gang, der hinaus und in die Freiheit führte, sah ich direkt unterhalb der Ausgusslöcher die Überreste einer von Pech und Jauche verklebten Leiche in der verhassten Uniform der Spanier.
    Will unterdrückte ein eisiges Frösteln, als ihm bewusst wurde, dass er sich zum wiederholten Mal in einer düsteren, bedrückenden Tagträumerei zu verlieren drohte. Er bemerkte, dass die Leiter keineswegs auf dem Grund der Kanalisation endete, sondern auf einem (hoffentlich) stabilen Metallgitter, mit dem man die Fortsetzung des Schachtes abgedeckt hatte, durch den er heruntergeklettert war. Er hatte einen Durchmesser von guten anderthalb Metern und verlief senkrecht nach unten, und zumindest bis dorthin, wo sich seine Wände in vollkommener Dunkelheit verloren, schimmerten auch sie wie erstarrtes, schwarzes Glas. Scharfer Brandgeruch wehte ihm von unten entgegen, aber auch noch etwas, das zugleich fremd und auf beunruhigende Weise vertraut war.
    Will riss sich von dem unheimlichen Anblick los und machte rasch zwei Schritte zur Seite, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Das Metallgitter, mit dem der Schacht abgedeckt war, machte einen mehr als massiven Eindruck; vermutlich war es fest genug, um einen Panzer zu tragen. Aber obwohl er nur die ersten anderthalb oder zwei Meter des Schachtes sehen konnte, spürte er doch, dass er noch ein gehöriges Stück weiter nach unten führte.
    »Kein angenehmes Gefühl, wie?«, fragte der Mann mit dem Schutzhelm.
    Will wandte sich wieder in seine Richtung um, beantwortete seine Frage mit einem nervösen Nicken und machte einen weiteren demonstrativen Schritt zur Seite. Etwas im Blick des anderen hatte sich verändert. Will war nicht ganz, aber doch fast sicher, jetzt eine Spur von Misstrauen in seinen Augen zu erkennen. Seinem Führer konnten weder seine Nervosität noch die verwirrten Blicke entgangen sein, mit denen er seine Umgebung maß, und Will spürte selbst, wie verkrampft und unbeholfen er dastand. Die allermeisten Menschen verstehen die Körpersprache ebenso gut wie die laut gesprochene, auch wenn sie sich dessen in den seltensten Fällen bewusst sind, und Wills Körper schrie sein schlechtes Gewissen im Moment geradezu hinaus.
    »Das hier ist eigentlich nicht mein Metier«, sagte er. »Ich bin von der Presseabteilung.«
    »Seit wann habt ihr denn so was?«, fragte der andere.
    »Seit wir so was haben«, antwortete Will mit einer weit ausholenden Geste. Das Eis, auf dem er sich bewegte, wurde dünner. »Bergmann meinte, ich sollte mir selbst ein Bild machen.«
    »Na, dann viel Spaß.« Die Stimme des anderen klang nicht so, als ob er ihm wirklich glaubte. Er wusste noch nicht so genau, was er mit diesem sonderbaren Besucher anfangen sollte, das war alles.
    Bevor er eine weitere unangenehme Frage stellen konnte, trat Will mit einem schnellen Schritt an ihm vorbei und auf den schmalen gemauerten Absatz hinauf, der den eigentlichen Kanal säumte. Der Boden, über den er ging, knirschte wie trockenes Laub, und als Will hinabsah, entdeckte er, dass er auch genau so aussah: eine braun-graue glatte Masse, die von unzähligen Sprüngen und Rissen durchzogen wurde. Das Wasser war verdunstet und der zurückbleibende Schlamm unter offenbar sehr hohen Temperaturen blitzartig getrocknet. Auch die Wände des Kanals waren schwarz, als wären sie großer Hitze ausgesetzt gewesen, und Will zweifelte jetzt nicht mehr daran, dass der Schacht, durch den er herabgekommen war, nicht nur wie in den Stein geschmolzen aussah.
    Er richtete sich wieder auf, nahm die Sonnenbrille ab und sah sich aufmerksamer um. Bisher hatte er wie ganz selbstverständlich angenommen, dass die Leiter durch einen Kanalisationsschacht herabführte, der möglicherweise gewaltsam erweitert worden war, aber das stimmte nicht. Nur wenige Meter links von ihm führte eine schmale Eisenleiter an der Wand nach oben, wo sie in einem runden Schacht von allerhöchstens achtzig Zentimeter Durchmesser verschwand. Der Schacht, durch den er

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