Feuer: Roman (German Edition)
genutzt, als …«
Sie brach ab, als sich das Geräusch wiederholte, oder besser gesagt: die Geräusche. Diesmal konnte es gar keinen Zweifel daran geben, dass sie vom Korridor her kamen, und wenn Will noch Zweifel gehabt hatte, dass irgendetwas nicht stimmte, dann wären sie spätestens in dem Moment zerstoben, als er die Schritte von mindestens einer Person hörte, die sich rasch näherten. Will blickte zur Tür und einen Moment später dorthin, wo eben noch Duffy gestanden hatte, um ihr zu sagen, dass sie sich verstecken sollte –aber das erwies sich als vollkommen überflüssig. Duffy verfügte über die Instinkte einer Katze, die ihr Leben lang von Straßenkötern gejagt worden war, und sie hatte früher als er selbst begriffen, dass gleich die Tür aufgehen konnte und dass es besser war, vorher abzutauchen. So schnell, dass er selbst nur noch einen Schatten von ihr sah, war sie ans Fenster getreten und hinter der Gardine verschwunden. Will blieb gerade noch die Zeit, die Stirn zu runzeln, dann hielten die Schritte vor der Tür, etwas summte, und augenblicklich schwang die Tür auf.
Will war darauf gefasst, die beiden Leibwächter zu sehen, die Martina auf ihn angesetzt hatte, und ganz kurz streifte ihn sogar der flüchtige Gedanke, dass es Rattengesicht und Slavko geschafft haben könnten, ins Haus zu gelangen – was natürlich unmöglich war, weil er sie gerade noch draußen an ihrem Wagen gesehen hatte und die beiden Deppen ja wohl kaum wissen konnten, wo er sich in diesem verwinkelten Gebäude aufhielt. Will tat das Einzige, was ihm zu tun übrig blieb: Er griff die Fernbedienung und schaltete den Ton des Fernsehers wieder ein, den er zuvor heruntergeregelt hatte. Augenblicklich erscholl die monotone Stimme eines Nachrichtensprechers, der so ungerührt die Spätnachrichten vorlas, als würden die im Moment von irgendeinem Interesse sein.
Er wusste, dass er kein besonders überzeugendes Bild bieten würde, wie er so mitten in dem hell erleuchteten Raum stand mit der Fernbedienung im Anschlag, als wäre sie eine Pistole – aber es war zu spät, jetzt noch eine Korrektur vorzunehmen.
Kapitel 24
Betont langsam drehte er sich zur Tür um, als diese wieder zuglitt. Um ein Haar hätte er die Fernbedienung fallen gelassen. Es waren nicht die beiden Leibwächter, und auch nicht Georgs Schlägertrupp, der in den Raum getreten war. Es war Martina. Er brauchte nicht einmal in ihr Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte. Sie trug einen dünnen, seidenen Hausmantel mit aufgestickten chinesischen Symbolen und der filigranen Andeutung eines chinesischen Gartens, die aussah, als hätte sie ein Künstler direkt auf den Stoff gemalt. Das schwarze Negligé, das darunter zum Vorschein kam, bevor sie mit einer flüchtigen Bewegung den Hausmantel enger zog, hatte sicherlich mehr gekostet als Wills frisch erworbener Sommeranzug.
Er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Seine Hand fuhr hoch, um den obersten Hemdknopf zu öffnen; dann ließ er sie wieder sinken. Die Geste hätte missverständlich wirken können. Es war mehr als zehn Jahre her, dass er Martina so vor sich stehen gesehen hatte. Er hatte fast vergessen, welche Wirkung sie auf ihn hatte. In seinem übernächtigten Zustand kam es ihm vor, als sei er wie durch Zauberei in eine frühere, glücklichere Zeit versetzt worden und als bräuchte er bloß die Hand auszustrecken, um an das anzuknüpfen, was einst zwischen ihnen gewesen war. Der Eindruck wurde zerstört, als er in ihr Gesicht sah. Es wirkte angespannt und müde, fast gereizt, und obwohl er in ihren Augen noch den Rest der alten Zuneigung zu entdecken glaubte, die sie zweifellos einst für ihn empfunden hatte, so überwog doch dort jetzt etwas anderes, was ihm nicht gefiel.
»Du schläfst nicht«, stellte sie anstelle einer Begrüßung fest.
»Nein, ich …« Will regelte rasch die Lautstärke des Fernsehers herunter, ohne den Ton ganz stumm zu stellen; die Stimme des Nachrichtensprechers war für ihn fast wie die eines Verbündeten geworden, der einem durch seine pure Anwesenheit den Rücken freihält. »Ich konnte nicht schlafen. Es waren ein paar Überraschungen zu viel in den letzten Tagen.«
Martina nickte. »Und das nicht nur für dich. Ich habe über unser Gespräch vorhin nachgedacht. Über das, was du mir gesagt hast –und was nicht.«
Alles in Will versteifte sich. Es hatte Zeiten gegeben, da hätte er nichts sehnlicher gewünscht als eine
Weitere Kostenlose Bücher