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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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amerikanischen Polizeisirene Platz, als der Kanal wechselte. »Ich glaube nicht, dass wir heute Nacht auch nur noch einen Schritt weiterkommen. Wir sollten das Gespräch wirklich auf morgen verschieben.«
    Über Martinas Gesicht lief ein Schatten. Sie trat rasch zwei Schritte vor und bückte sich, um die Fernbedienung aufzunehmen und den Fernseher endgültig auszuschalten. Das Wimmern der Polizeisirene erstarb schlagartig, und der Bildschirm erlosch.
    Will wurde sich nur zu bewusst, wie nah sie ihm war, als sie wieder aufstand und sich zu ihm umdrehte. Er hätte nur den Arm ausstrecken müssen, um sie zu berühren, und nur einen Schritt auf sie zugehen müssen, um sie in den Arm nehmen und küssen zu können. Es war merkwürdig, mit welcher Macht die alten, verschüttet geglaubten Gefühle Terrain zurückgewannen. Martinas Gesicht erstarrte zur Maske, aber sie konnte nicht verhindern, dass eine Ader an ihrem Hals verräterisch pulsierte.
    Nein war das Einzige, was Will denken konnte. Abgesehen davon, dass er nicht wusste, wie Martina darauf reagieren würde, wenn er seinen Gefühlen freien Lauf ließ: Duffy stand noch immer hinter dem Vorhang, und es war absolut unmöglich, in ihrer Gegenwart zu versuchen, sich ihrer Mutter zu nähern.
    »Ich weiß manchmal wirklich nicht mehr, was richtig und was falsch ist«, sagte Martina mir rauer Stimme. »Das … das geht mir genauso«, sagte Will. Er spürte, wie die Finger seiner rechten Hand zu zittern anfingen, so als wollten sie sich selbstständig machen.
    Es hätte ein magischer Moment werden können, aber es war absolut der falsche Zeitpunkt, die falsche Umgebung – und Duffy war nicht der einzige Hinderungsgrund. Martina zuckte plötzlich zusammen und wandte sich mit einer fast übertrieben wirkenden Hast ab; der Morgenmantel klaffte auf und gab einen Anblick frei, den Will bestimmt nicht vergessen hätte, wenn in diesem Moment nicht jemand durch die Tür getreten wäre, mit dem er jetzt nicht gerechnet hätte: Angela.
    Im Gegensatz zu Martina war sie vollständig angezogen; sie trug einen dunklen, zeitlos wirkenden Hosenanzug mit einem knappen Top, das ihre Schultern frei ließ. Will wäre nicht verwundert gewesen, wenn einer von Martinas Handlangern an der Tür erschienen wäre, aber Angela hatte er so komplett aus seinen Gedanken verbannt, als würde sie gar nicht existieren. Dass das ein Fehler war, begriff er spätestens in dem Moment, als er ihrem Blick begegnete.
    Bislang hatte Angela eher die Coole gespielt, Lara Croft mit einem Schuss Hippiemädchen oder umgekehrt, je nachdem, wie es die Situation erfordert hatte. Doch jetzt sah sie ihn an, als wolle sie ihm am liebsten die Kehle durchschneiden, mit einer kalt glitzernden Wut in den Augen, die jeden Moment in einer explosiven Flamme auflodern konnte. Martina raffte hastig den Hausmantel zusammen und trat einen Schritt zurück. Will nahm nur ganz am Rande wahr, dass ihr die Fernbedienung entfallen war und mit einem hässlichen Geräusch auf dem Boden aufschlug.
    »Alte Liebe rostet nicht, nicht wahr?«, fragte Angela mit schneidender Stimme.
    Will wusste nicht, an wen die Worte gerichtet waren, an ihn oder an Martina, denn Angelas Blick wanderte von einem zur anderen. Wären die Zusammenhänge anders, hätte Will wahrscheinlich laut aufgelacht. Angela überzog maßlos. Selbst wenn es ihr nicht passte, dass Martina mitten in der Nacht zu ihm ins Zimmer kam, und selbst wenn sie fürchtete, dass sie beide an alte Zeiten anknüpften, rechtfertigte das nicht die melodramatische Art ihres Auftrittes …
    »Martina, Schätzchen«, sagte Angela kalt. »Was hast du dir dabei gedacht?«
    Will fand die Formulierung Schätzchen für die eigene Stiefmutter mehr als unangebracht, und das, obwohl Martina und Angela eher als Schwestern durchgehen würden statt als klassisches Mutter-Tochter-Gespann. Der leise Verdacht, der sich bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen in ihm geregt hatte, begann wieder in ihm hochzusteigen. Aber er weigerte sich einfach, den Gedanken weiterzuverfolgen. Es erschien ihm einfach zu absurd, in Martina und Angela mehr als nur zwei Frauen zu sehen, die ein ungewöhnliches Schicksal aneinander geschmiedet hatte.
    »Ich …«, begann Martina ungewohnt hilflos. Sie warf Will einen fast flehenden Blick zu, wandte sich dann aber gleich wieder an Angela, als müsse sie befürchten, dass Angela jede Vertrautheit zwischen ihr und Will überbewerten konnte. »Du wunderst dich vielleicht …«
    »Wundern?«

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