Feuer: Roman (German Edition)
Aussprache mit Martina. Die Vorstellung, dass sie mit nichts weiter bekleidet als mit einem Negligé und einem Hausmantel zu ihm ins Zimmer kam, war wie eine Fortführung der wirren Wachträume, die ihn in den ersten Monaten nach ihrer Trennung gequält hatten, als er noch immer gehofft hatte, es könne zwischen ihnen einst wieder so werden, wie es einmal gewesen war. Aber jetzt wusste er nicht nur, dass ihre ganze Beziehung von Anfang an nichts weiter als eine große Lüge gewesen war – jetzt war er sich auch nur zu bewusst, dass Duffy –seine und Martinas Tochter! – hinter dem großen Vorhang am Fenster stand und ganz genau jedes Wort und jede Regung verfolgen würde.
»Hör mal, Martina«, begann er umständlich. Er hatte die Fernbedienung noch immer auf sie gerichtet wie eine futuristische Waffe, mit der man sein Gegenüber auf Knopfdruck wegbeamen konnte. »Ich bin wirklich hundemüde. Lass uns lieber morgen weiterreden.«
»Morgen kann es zu spät sein.« Martina strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ob Zufall oder nicht – durch diese Geste verrutschte ihr Hausmantel, und Will musste sich zusammenreißen, um nicht auf ihren Brustansatz zu starren. »Ich mache mir Sorgen, Will. Nicht erst seit heute, wie du dir vorstellen kannst. Aber die ganze Sache eskaliert. Und ich kann und will nicht dulden, dass das Ganze in einer Katastrophe endet.«
Will hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie überhaupt sprach. Es hatte Zeiten gegeben, da hätte er nicht einmal aufgesehen, wenn Martina nackt ins Zimmer gekommen wäre. Aber das war lange her, und es war der Ausdruck der Vertrautheit gewesen, die für ein paar Monate zwischen ihnen gewesen war, als er geglaubt hatte, nichts könne sie trennen; und es war beileibe kein Anzeichen davon gewesen, dass sie ihn irgendwann erotisch nicht mehr angetörnt hätte, eher im Gegenteil. Wenn er ehrlich war, war Martina die einzige Frau seines Lebens gewesen, die in ihm immer und immer wieder ein kribbelndes Gefühl ausgelöst hatte – und die Gewissheit, dass es ein geradezu unverschämtes Glück war, dass ausgerechnet diese Frau auf ihn abfuhr.
Martina runzelte die Stirn, als sie seinen Blick – die Art seines Blickes – bemerkte, und erst in diesem Moment schien sie zu begreifen, dass ihre Worte in eine ganz bestimmte Richtung gedeutet hatten und dass sie genau das geraderücken musste.
»Ich kann dein Unbehagen verstehen, was Duffy angeht«, sagte sie. Mit einer fast hastigen Bewegung raffte sie den Hausmantel so weit zusammen, dass Will fast gar nichts mehr von dem schwarzen Negligé sehen konnte, und es schien ihm beinahe so, als wolle sie ihm damit klar machen, dass er den Sinn ihres Besuches nicht falsch deuten sollte. »Du darfst mir glauben: Ich teile dein Gefühl. Ich liege nachts oft stundenlang wach und frage mich, ob es wirklich der richtige Weg ist, den wir eingeschlagen haben. Aber was ist die Alternative? Wenn ich meine Tochter – unsere Tochter –nicht in falsche Hände geraten lassen will, muss ich das Problem alleine lösen.«
»Du brauchst es nicht alleine zu lösen«, sagte Will steif. »Duffy hat nicht nur eine Mutter. Sie hat auch einen Vater.«
»Ja.« Martina nickte langsam. »Das hat sie wohl. Aber du kannst nicht Teil der Lösung sein, verstehst du?«
»Entschuldige«, sagte Will, »aber genau das verstehe ich nicht. Es mag sein, dass du und deine Stieftochter es anders geplant haben: Aber Duffy ist nun einmal zu mir gekommen. Und damit bin ich mit im Spiel – ob dir das nun gefällt oder nicht.«
Aus den Augenwinkeln heraus gewahrte er eine leichte Bewegung, ein fast nicht wahrnehmbares Flattern des Vorhangstoffs. Es wäre vermessen zu behaupten, dass er das nachempfinden konnte, was Duffy jetzt empfinden musste angesichts dessen, was ihre Eltern über sie redeten (Eltern! Auch das war so ein Ausdruck, an den zu gewöhnen ihm unendlich schwer fiel – dass er und Martina schon seit zwölf Jahren ein Elternpaar waren), aber er war sich sicher, dass es ihr nicht gefiel und sie innerlich zu brodeln anfing. Es fehlte ihm noch, dass sie plötzlich hervorstürmte und ihm und Martina eine Szene machte.
»Es tut mir Leid, Martina«, sagte er rasch. Er starrte auf die Fernbedienung in seinen Händen und warf sie mit einem entschlossenen Ruck aufs Bett. Aber er hatte schlecht gezielt; sie rutschte vom Bettrand ab und fiel auf den Boden, und eine Sekunde später erstarb die Stimme des Nachrichtensprechers und machte dem Geheul einer
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