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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufmunternden Worte«, keuchte er. »Vielleicht sollte ich doch besser den … Jaguar nehmen. Die Tasche kann ich ja auch hier stehen lassen.«
    »Untersteh dich«, sagte Georg ärgerlich. »Und beeil dich, verdammt noch mal. Ich verliere langsam die Geduld.«
    Ich auch, dachte Will, ich auch, mein Bester. Aber sieh dich besser vor, wenn wir uns begegnen sollten. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft ein Elektroschock sein kann.
    Er stieß sich von dem Jaguar ab und sah bedauernd auf Angelas teure Lederjacke hinab, die nun im Schlamm lag wie ein achtlos weggeworfenes Kleidungsstück, für das niemand mehr Verwendung hatte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie hier liegen zu lassen. Er konnte Angela ja später den Ort hier beschreiben, sollte sie sie unbedingt wiederhaben wollen.
    Es ging ein leichter, kalter Wind, der mich frösteln ließ und sich mit spitzen Zähnen in mein Fleisch und meine Knochen grub und das dicke Bärenfell, in das ich gekleidet war, so mühelos durchdrang, als wolle mir eine bösartige Gottheit mit ihrem eisigen Atem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die schneebeladenen Zweige der Fichten und das weit verzweigte Geäst der kahlen Ulmen und Buchen bogen sich im Wind, und selbst das dürre Gesträuch blieb vor dem kalten Hauch nicht verschont.
    Das Einzige, was mich jetzt noch aufrecht hielt, war der Gedanke an das heiße Feuer in der Esse, das meine Gesellen in Gang zu halten hatten, solange ich fort war. Es war das Feuer Thors, das er mit seinen Blitzen auf uns herabgeschleudert hatte. Es verlöschen zu lassen bedeutete Unglück, es ausgehen zu lassen bedeutete, den Göttern den Frevel zu offenbaren, den wir begangen hatten.
    Ich musste mich beeilen. Lange, viel zu lange war ich unterwegs gewesen, um das Rotgüldigerz zu besorgen, wie es mir die Hohepriesterin aufgetragen hatte, und auch wenn es mir gelungen war, von der Reise den fehlenden Schlangenring mit zurückzubringen, den König Nidud mir hatte stehlen lassen, war nicht viel gewonnen. Denn jetzt musste ich befürchten, dass in meiner Anwesenheit ein Unglück geschehen und das Feuer ausgegangen war …
    Die ersten Schritte, mit denen Will, von wirren Gedanken und scheinbaren Erinnerungsfetzen heimgesucht, in Richtung Werkgelände ging, waren die Hölle. Nicht nur seine Hüfte schmerzte, sondern auch seine Beine, die sich wie eingefroren anfühlten, und zudem begann die Stelle oberhalb seines Knöchels wieder zu pochen, natürlich, denn sie reagierte besonders auf Kälte und Feuchtigkeit. Der Wind peitschte ihm eine kalte Brise ins Gesicht und gegen die nackte Brust. Er hatte immer schon gewusst, dass Georg ein Sadist war, aber er hatte jeden bewussten Gedanken daran immer weit weggeschoben. Vielleicht, weil es ihm sonst äußerst schwer gefallen wäre, mit ihm Geschäfte zu machen.
    Nach den ersten zehn Schritten fing es an, besser zu werden. Die Kälte hatte noch nicht seinen innersten Kern erreicht, und Armen und Beinen tat die Bewegung gut. Der Schmerz in seiner Hüfte wich einem dumpfen Gefühl, das zwar dafür sprach, dass er in wenigen Stunden dort ein riesiges Hämatom haben würde, aber auch dafür, dass nichts ernsthaft verletzt war. Als er aber an dem festgefressenen Tor vorbeigekommen war und die Auffahrt zum Fabrikgelände erreichte, eine Piste aus geborstenen und teilweise abgerutschten Betonplatten, die in mehreren lang gestreckten Kurven zur Autobahn führte, traf ihn der Wind mit unverminderter Wucht, und der Nieselregen war beißend kalt. Bei jedem Schritt jagte ein scharfer Schmerz durch die alte Stelle an seiner Wade, die ihm schon seit frühester Kindheit zu schaffen machte, und aus seinem bis eben noch recht flüssigen Gehen wurde wieder das Humpeln, das sich hartnäckig besonders dann zurückmeldete, wenn er es überhaupt nicht gebrauchen konnte. Seine Euphorie zerschlug sich wie ein Wolkengebilde, in das der Sturm fährt, und machte dem kalten Entsetzen vor dem Platz, was ihn wohl noch erwarten mochte. Er hatte ungefähr fünf Minuten gebraucht, um von der Autobahn mit dem Jaguar den Fabrikhof zu erreichen, und er war ziemlich langsam gefahren. Wenn er noch einigermaßen seinen Verstand hätte nutzen können, wäre es ihm sicherlich leicht gefallen, auszurechnen, welche Strecke fünf Minuten Autofahrt bei Tempo vierzig bedeuteten. Aber auch so wusste er, dass es ein paar Kilometer bis zur Autobahnauffahrt sein mussten. Unter den Bedingungen, unter denen er hier langlief, war das kaum

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