Feuer: Roman (German Edition)
zivilisiert?«
Also daher wehte der Wind. Will hatte natürlich die ganze Zeit über gewusst, dass sich Georg erbarmungslos für die Demütigung rächen würde, die er ihm zugefügt hatte. Wahrscheinlich blieb ihm sowieso nichts anderes übrig, als vor seinen Leuten eine große Show abzuziehen unter dem Motto Passt nur auf was euch alles passieren könnte, wenn ihr nicht spurt. Aber das war nicht alles. Georg mochte noch so kühl und überlegen tun, tief in seinem Inneren war er doch nur eine kleine, miese Ratte, von Impulsen getrieben, die Will lieber nicht zu genau kennen lernen wollte.
»Worauf wartest du noch?«, fragte Georg.
Will nickte, eine Geste, die für niemand anderen als für ihn selbst bestimmt war. Er sah Duffy vor seinem inneren Auge, wie sie den Kopf schief legte und ihn herausfordernd ansah. »Was nun?«, schien sie zu sagen. »Willst du etwa klein beigeben?«
Nein, das wollte er natürlich nicht.
»Also gut«, sagte er in das Funkgerät. »Ich tue, was du verlangst. Aber kauf mir von dem Lösegeld einen vernünftigen Grabstein, wenn ich an Lungenentzündung krepieren sollte.«
Georg lachte nicht. Er sagte auch nichts. Will begriff, dass damit die nächste Runde in dem Katz-und-Maus-Spiel angesagt war, in dem Georg die Regeln vorgab.
Er ließ die Hände, die er bislang vor der Brust verschränkt hatte, sinken und trat ganz nah an den Jaguar heran. Seine Fingerspitzen glitten über die warme Motorhaube. Er war sicher, dass Georg jede seiner Bewegungen ganz genau beobachtete und nur darauf lauerte, sie entsprechend zu kommentieren, wenn ihm etwas nicht passte. Will ging einen Schritt weiter und griff scheinbar zögernd nach der Lederjacke, nahm sie aber nicht hoch. Genauso, schien Duffy zu sagen, und er sah geradezu das kämpferische Lächeln seiner Tochter vor sich, mit dem sie ihn aufforderte, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Kaum war er um die Motorhaube herum, platschten seine Füße ins Wasser, und er musste gar nicht schauspielern, um das Gesicht angeekelt zu verzerren. Dann tauchte sein rechter Schuh so tief in die Pfütze ein, dass er das Wasser unangenehm seine Wade hochkriechen fühlte. Mit der linken Hand griff er nach der Lederjacke, und so, als suche er vergebens an ihr Halt, riss er sie hoch. Sein Rücken bog sich wie von selbst nach hinten durch, und er begann mit beiden Armen zu rudern mit der Absicht, so zu tun, als ob er das Gleichgewicht verlieren würde.
Er musste sich nicht sehr anstrengen, den Tollpatsch zu spielen, denn der Untergrund war tückisch und glitschig und er selber zu angeschlagen, um seine Bewegungen exakt koordinieren zu können. Mit der Lederjacke in der einen Hand und dem Funkgerät in der anderen rutschte er weg, nun weit entfernt von jeder Show-Einlage, sondern ernsthaft in Gefahr, hart hinzuknallen. Im letzten Moment drehte er sich zur Seite, so dass er wenigstens keine Bauchlandung in der Pfütze machte. Trotzdem war es unangenehm genug, auf dem matschigen Untergrund aufzuschlagen. Ein scharfer Schmerz zuckte durch seine Hüfte. Er rollte sich nach rechts ab, zum Feld hin, und fischte dabei Angelas Lieblingswaffe auf. Er wollte gleich wieder aufstehen, doch das klappte nicht; er rutschte erneut weg und wäre beinahe wieder hingeschlagen, aber nur, weil er mit dem Kunststück beschäftigt war, den nicht gerade kleinen Elektroschocker in aller Eile in seine Hosentasche zu drücken, und das möglichst unauffällig und schnell, während er mit der anderen Hand mit dem Funkgerät herumfuchtelte wie ein Zauberer, der von dem eigentlichen Trick ablenken will.
Dann stand er endlich wieder, schwankend wie ein Matrose nach einem ausgedehnten Landgang, der ihn durch sämtliche Hafenkneipen geführt hatte. Seine Hüfte schmerzte höllisch, beinahe so, als wäre irgendetwas gebrochen. Einen Augenblick lang fürchtete er schon, er hätte sich ernsthaft verletzt, doch dann gelang es ihm, mit zwei Schritten zum Wagen zurückzukehren, was sicherlich nicht möglich gewesen wäre, wenn er sich die Hüfte ernsthaft angeknackst hätte. Keuchend stand er eine Weile da; er musste sich mit der einen Hand am Wagendach festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Wind zerrte an ihm, doch zumindest machte ihm im Moment der Regen nichts aus; er war sowieso nass bis auf die Haut. »Wenn du so weitermachst, kommst du nie bis zur Autobahn«, sagte Georg.
Will zählte langsam bis drei und hielt erst dann das Funkgerät an den Mund. »Danke für deine …
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