Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sah man einmal davon ab, dass er noch immer vor sich hin pendelte wie ein Penner im Delirium.
    Die Fabrikhalle links vom Tor. Natürlich. Sie lag zentral, und wenn sich Georg im oberen Stockwerk aufhielt, konnte er mit Leichtigkeit die ganze Strecke im Blick behalten, die Will hier entlangmarschierte. Warum war er bloß nicht früher darauf gekommen? Er hatte vor dieser Halle gestanden und an der Klinke der Metalltür gerüttelt, ohne zu ahnen, dass er dabei Duffy ganz nah gewesen war.
    Und was mache ich jetzt mit meinem Wissen? Ganz egal, wie lange er für den Rückweg brauchen würde, er würde zu spät kommen. Außerdem war Georg bestimmt nicht alleine; Slavko und Fred trieben sich bestimmt hier auch irgendwo herum. Und sie waren mit Sicherheit bewaffnet.
    Es war noch nicht einmal ein Patt, es war eine völlige Niederlage.

Kapitel 30
    Will hatte sich umgedreht. Penetrant munteres Vogelzwitschern kündete davon, dass der Tagesanbruch nicht mehr fern war, und am fernen Horizont war ein schwacher Silberstreif erkennbar, der trotz des schlechten Wetters bereits so viel Licht spendete, dass Will nicht mehr auf das Geflacker der fernen Autoscheinwerfer angewiesen war, um mehr als seine unmittelbare Umgebung zu gewahren. Das graue Band der Betonpiste wand sich hinab in etwas, was wahrscheinlich einmal ein sumpfiges Feuchtgebiet gewesen war, die ganze Zeit über leicht abschüssig, was erklärte, warum ihm jeder einzelne Schritt in die entgegengesetzte Richtung so schwer gefallen war. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er sogar die dunklen Schatten der Gebäude sehen, die sich Georg als Versteck ausgesucht hatte. Aus der Ferne wirkten sie wie die Monumente einer längst vergangenen Zeit.
    Wills Stimmung passte zu diesem gleichermaßen schauerlichen wie beeindruckenden Bild. Wie ein erschöpfter Kriegsherr stand er da, von einer Anhöhe aus mit freiem Blick auf die Burg seines Gegners und mit dem Wissen, dass dort gerade seine Tochter in Ketten gelegt wird, um sie zu einem neuen, ihm vollkommen unbekannten Versteck zu transportieren. Verdammt. Selbst wenn er in deutlich besserer Verfassung gewesen wäre und im Rekordtempo die Strecke bis zu dem düsteren Gebäudekomplex hätte zurücklaufen können, konnte er gar nicht mehr rechtzeitig kommen, um Duffy zur Flucht zu verhelfen.
    Er hätte wahrscheinlich noch eine ganze Zeit lang weiter unschlüssig dagestanden und aus zusammengekniffenen Augen hinabgeschaut, wenn er nicht aus der Ferne Motorengeräusch gehört hätte. Das mehrfache Aufheulen des Motors klang wie das Fauchen einer gereizten Raubkatze, die ihr Revier verteidigt. Das war nicht der Polo, wie er im ersten Moment vollkommen absurderweise gehofft hatte. Es war der Jaguar.
    Natürlich. Georg würde nicht darauf warten, ob es ihm irgendwie gelang, Duffys Steilvorlage in einen Treffer zu verwandeln. Er tat das aus seiner Sicht einzig Vernünftige und brachte sie so schnell wie möglich weg.
    Reifen quietschten, und dann brach aus dem Innenhof des Gebäudekomplexes, der in Wills Fantasie nach wie vor eine gigantische Festungsanlage war, ein dunkler, lang gestreckter Schatten hervor, von hier aus wie ein Raubtier wirkend, das Anlauf nimmt, um seine Beute zu schlagen. Das Brüllen des Motors ging in ein unangenehm schrilles Wimmern über, als der Fahrer den ersten Gang viel zu hoch zog, hinein in den roten Drehzahl-Bereich, und dann erst in den zweiten Gang schaltete. Immerhin flammten wenigstens jetzt die Scheinwerfer des Jaguars auf, so dass er nicht fürchten musste, der Wagen würde – mit Duffy an Bord! – über die Böschung fliegen, nur weil der Fahrer bei hohem Tempo Straße und Feld nicht mehr unterscheiden konnte.
    Die Reifen wimmerten, als der Wagen durch eine lang gestreckte Kurve ging. Erst in diesem Moment wurde sich Will bewusst, dass er mitten auf der Straße stand wie ein vom Fernlicht geblendetes Reh und dass der Jaguar wohl kaum noch ausweichen konnte, wenn er plötzlich in seinem Scheinwerferkegel auftauchte. Er wollte mit einer raschen Bewegung zur Seite gehen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht richtig; er stolperte und wäre fast hingeschlagen, gerade in dem Moment, in dem der Jaguar die letzte Kurve nahm, bevor er auf ihn zuschoss …
    Wills improvisierter Poncho flog davon, als er mit einer halb hüpfenden, halb schlingernden Bewegung versuchte, dem drohenden Aufprall zu entgehen. Er war viel zu langsam und ungeschickt, um ihm noch rechtzeitig entkommen zu können. Absurd, zum Opfer

Weitere Kostenlose Bücher