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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und das Kältegefühl, das er während des kurzen Gesprächs mit Angela gar nicht mehr wahrgenommen hatte, explodierte geradezu in ihm. Zwei, drei hart hämmernde Herzschläge lang wurde es komplett schwarz vor seinen Augen, und er spürte, wie seine Knie nachgaben und er langsam, aber unaufhaltsam in sich zusammenzusacken begann wie ein Plastikmännchen, das übermütige Kinder mit einem Heißluftfön bearbeiteten. Er wäre unweigerlich gestürzt, wenn Angela nicht rasch zugegriffen und ihn an sich herangezogen hätte.
    Es war Eimyrja, die mir auf den letzten Schritten leichtfüßig entgegengeeilt war, kaum dass sie mich entdeckt hatte, natürlich war es Eimyrja – wie hatte ich auch jemals daran zweifeln können? Die Hohepriesterin – meine Schwester – sah zu mir hoch, mit einem kalten Blick und verhärteten Gesichtszügen, und doch kam es mir so vor, als umspiele ein höhnisches Lächeln ihre Mundwinkel.
    »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr«, sagte sie mit der harten Stimme, die sie mir gegenüber anschlug, seitdem ich meine Tochter und nicht ihren Sohn zu meinem Erben erkoren hatte.
    »Du … du warst es … « Ich musste abbrechen. Es war Tage her, dass ich das letzte Mal mit einem Menschen ein paar Worte gewechselt hatte, und ich musste mich räuspern, bevor ich weitersprechen konnte. »Du warst es also, die mich hier weggelockt hat.«
    »Spielt das noch eine Rolle?« Eimyrja überwand die letzten Schritte zu mir mit einer Leichtigkeit, die mir endgültig klar machte, wie plump und ungeschickt mich die Entbehrungen der letzten Wochen hatten werden lassen.
    »Komm.« Sie streckte die Hand vor, wie um mich mit einer freundlichen Geste einzuladen; dabei blitzten ihre Augen so böse und triumphierend, dass ich am liebsten das Schwert hochgerissen und sie durchbohrt hätte. »Ich führe dich dorthin, wo du hingehörst, Schmied.«
    Sie stützte ihn wie einen Kranken, aber sie waren sich so nah wie ein Liebespaar. Ein ganz seltsames Gefühl durchströmte Will. Er konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand mitbekam, dass es ihm nicht gut ging, und er hätte normalerweise alles versucht, um Angela zurückzustoßen und aus eigener Kraft auf den Beinen zu bleiben. Doch jetzt wehrte er sich nicht. Das alte vertraute Gefühl der Scham machte etwas anderem Platz, etwas, das all die Jahre in ihm fast unbemerkt geschlummert hatte, in denen er zwischen Autodiebstählen und Knast hin und her gependelt war. Er empfand es fast als tröstlich, von dieser energischen jungen Frau gehalten zu werden, die mehr Lebensenergie versprühte als ein fröhlich trällerndes Rotkehlchen am frühen Morgen. »Wo ist das Geld?«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    »Das hat Georg schon«, gab er auf die gleiche Weise zurück.
    »Und Duffy?«
    »Er … Er hat mir ein Lebenszeichen versprochen, wenn ich bis zur Autobahn durchhalte.«
    Jetzt schien sogar Angela fassungslos zu sein, denn sie schwieg einen Moment, bevor sie sagte: »Das Schwein!«
    In Will keimte die vollkommen widersinnige Hoffnung auf, sie wüsste, wie sie Duffy befreien konnte, ohne dass er weiteres Martyrium auf sich laden musste.»Und jetzt?«, fragte er.
    »Jetzt gehst du bis zur Autobahn«, flüsterte Angela. »Aber lass dir nicht die Decke abnehmen. Und dann sehen wir, was wir tun können.«
    Will konnte dieser Vorgehensweise nicht das Geringste abgewinnen und wollte protestieren, aber Angela stieß ihn sanft von sich und fragte laut: »Geht's wieder?«
    »Nein«, sagte Will. Er hatte längst begriffen, dass die Schwäche in wellenförmigen Schüben kam Im Augenblick bezweifelte er, dass er auch nur fünf Meter weit kommen würde, aber es mochte durchaus sein, dass er sich gleich wieder fing. Es gab genug Geschichten von Leuten, die relativ leicht bekleidet in einen Schneesturm geraten waren und nicht nur ein paar Stunden, sondern auch ein paar Tage überlebt hatten. Allerdings hatten die meisten dieser Geschichten den Haken, dass am Ende von Lungenentzündungen und anderen Spätfolgen die Rede war.
    »Also, ich würde dich ja gerne mitnehmen«, sagte Angela. »Aber wenn du nicht willst, dann düs ich halt los. Was willst du eigentlich an der Autobahn?«
    »Ich werde abgeholt.« Will hatte jedes Interesse an der Komödie verloren, die sie für den stummen Zuhörer am Funkgerät spielten. Angela sollte jetzt zusehen, dass sie Land gewann und sich nicht noch einmal dort blicken ließ, wo Georg das Kommando führte. Ein zweites Mal würde wohl selbst der blödeste

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