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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das kein Trümmerstück war, kein von der Wucht des Feuers davongeschleuderter Teil einer Holzfassade, sondern etwas ganz, ganz anderes …
    Eine Hand.
    Eine Kinderhand!
    Sein Blick glitt über die linke Seite des Jaguars. Das Dach hatte sich in den Boden eingegraben, aber auch hier waren kaum Anzeichen von Zerstörung zu sehen. Das war kein Grund zum Aufatmen, ganz im Gegenteil, denn irgendetwas Unheimliches ging hier vor, etwas, das er erst bemerkte, als er schon ganz nah herangekommen war. Ein bläuliches, irisierendes Licht lief über die Türen, das keinen Anfang und kein Ende zu haben schien. Wie Miniblitze zuckten gierige Energiefinger über das Metall, zischend fraßen sie sich ihren Weg tief in den Lack. Der Anblick raubte Will schier den Verstand. Seine Schritte gerieten endgültig aus dem Takt, und er griff Halt suchend nach dem Radkasten neben sich, der sich auf Höhe seiner Hüfte befand. Trotzdem wäre er beinahe weggesackt. Es war nichts als Schwäche in ihm, und die Panik, zu spät gekommen zu sein.
    Er hatte Angst, Duffy getötet zu haben, nur weil er sich dem heranjagenden Jaguar in den Weg gestellt hatte, statt rechtzeitig beiseite zu springen. Er wollte, er musste zu ihr, aber er war wie gelähmt. Vollkommen fassungslos sah er auf das bläuliche Zischen und Blitzen, das jetzt auch nach dem Unterboden des Jaguars leckte. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Irgendein elektromagnetisches Phänomen, durch den Unfall ausgelöst. Er musste an den Zündschlüssel ran. Ohne ständige Speisung aus der Autobatterie würde das bläuliche Wabern sehr schnell in sich zusammenbrechen.
    Der Teil seines Verstands, der ernsthaft versuchte, an diese Erklärung zu glauben, zwang ihn, die Hand vom Radkasten zu nehmen. Es hatte keinen Sinn. Seine Beine waren zu schwach und zittrig, um ihn zu tragen. Das Metall am Unterboden des Wagens fühlte sich unnatürlich warm an. Das Gefühl war so intensiv, dass es ihm paradoxerweise einen Kälteschauder nach dem anderen über den nackten Rücken jagte. In den letzten Minuten hatte er nicht mehr den eisigen Griff der Kälte gespürt, sie war längst zu einem selbstverständlichen Teil von ihm geworden, und sie wich auch nicht aus ihm, als er sich nun mit beiden Händen an der Unterkante des Türrahmens Stück für Stück nach vorne zog, sondern schien sich ganz im Gegenteil zu verstärken. Seine Finger fühlten sich an, als würden sie glühen, so heiß war die Metallverstrebung, aber trotzdem übertrug sie kein Wärmegefühl, sondern eher den kalten gierigen Griff von etwas … Lebendigem.
    Er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Das bläuliche Geflacker hätte ihn nicht stärker antreiben können als Funkenflug neben einer Benzinlache. Das Zischen schien sich zu steigern, je näher er ihm kam, und trotzdem zog er sich mit aller Kraft Zentimeter für Zentimeter weiter voran. An einigen Stellen hatte sich das blaue Glosen bereits durch sämtliche Lackschichten gebrannt, und wie es schien, machte es auch vor dem Metall nicht Halt, sondern schien sich einbrennen und – vielleicht sogar durch das verstärkte Aluminiumblech – brennen zu wollen. Das war kein normales Feuer. Es war entfesselte Naturgewalt von ganz anderer Art, als er sie bislang kennen gelernt hatte, und doch wusste er, ganz tief in seinem Inneren, dass er die gleiche Kraft und die gleiche boshafte Intelligenz schon einmal gespürt hatte, nur war sie damals in den Wänden eines Kellers eingesperrt gewesen, während es nun eher schien, als suche sie sich Zugang in den Jaguar.
    Das musste er verhindern.
    Ganz langsam und vorsichtig – und ohne die rechte Hand von der Unterkante des Türrahmens zu nehmen – ließ er sich in die Hocke sinken. Er war jetzt auf Höhe des hinteren Fensters, und von hier aus würde er einen Blick in den Wagen werfen können. Seine Hand glitt zitternd und Halt suchend über das Fensterglas, und mit einem gehörigen Sicherheitsabstand zu den zischenden Energieentladungen, die sich bislang noch auf die Fahrertür beschränkten, brachte er sein Gesicht ganz nah ans Fenster. Was er zu sehen bekam, entrang ihm ein tiefes Stöhnen. Er hatte mit allem gerechnet. Aber nicht mit dem, was sich jetzt seinen Augen darbot.
    Das Dorf war verheert, den bläulichen, kalten Flammen zum Opfer gefallen, die noch immer um alles herumzüngelten, was nicht bis auf die Grundfesten niedergebrannt war, und ich hockte hier im Schnee, dort, wo er von Feuerpartikeln durchsiebt, aber nicht

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