Feuer: Roman (German Edition)
ich hätte ihnen schon öfters von meiner Tochter erzählt? Abgesehen davon sind die Bullen hinter mir her, weil sie mich mit einem hübschen kleinen Feuerchen in Verbindung bringen, bei dem nicht nur meine Wohnung draufgegangen ist, sondern auch einer ihrer eigenen Truppe abhanden kam. Das weiß Georg. Und damit kann er einen glaubhaften Grund präsentieren, warum er auf meine Tochter aufpassen sollte.«
Mike lockerte die Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf. »Ich verstehe das nicht«, sagte er. »Wenn dieser Georg so vorsichtig ist, warum hat er dann Duffy überhaupt entführt?«
»Weil er mich platt machen will«, sagte Will.
»Und das Geld?« Mike kramte in seiner Hosentasche und brachte ein Papiertaschentuch zum Vorschein, mit dem er sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn wischte. »Warum verlangt er eine so riesige Summe?«
»Große Geldsummen hat Georg schon immer billigend in Kauf genommen«, sagte Will. Er nippte an dem Kaffee, war aber diesmal so vorsichtig, sich nicht noch einmal zu verbrühen. »Und außerdem wischt er mir damit zusätzlich eins aus. Genauso wie mit dieser bescheuerten Ratenzahlung. Reiner Nervenkrieg.«
Mike nickte langsam. »Den wir gewinnen müssen«, sagte er. »Den ich gewinnen muss«, korrigierte ihn Will. »Bleibt bloß die Frage, wie.«
Er starrte vor sich auf den Kaffeebecher. Seine Gedanken verwirrten sich zunehmend. Ganz am Rande hörte er, wie Mike Angela bat, doch endlich die Heizung herunterzuregeln, weil es in dem Polo mittlerweile so heiß wie in einer Sauna sei. Davon merkte Will nicht das Geringste. Er schlotterte immer noch vor Kälte, und mit ihm die Tasse mit dem verführerisch heißen Kaffee.
Ein lautes Hupen riss ihn aus seinen Gedanken. Zuerst glaubte er, dass ein hinter ihnen fahrender Wagen den kleinen Polo von der Überholspur scheuchen wollte, aber dann wurde ihm klar, dass es Angela war, die gehupt hatte. »Hallo Will!«, rief sie ungehalten. »Bist du noch unter uns?«
Will nickte hastig. Er wurde sich bewusst, dass ihn Angela wohl schon mehrmals angesprochen hatte, bevor sie auf die Hupe gedrückt hatte, um so seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
»Bist du okay?«, hakte Angela in einem Tonfall nach, in dem neben Besorgnis auch Ungeduld mitschwang.
»Einigermaßen«, sagte Will, was hoffnungslos übertrieben war. Er gehörte ins Bett – mit einer elektrischen Heizdecke und mindestens drei Federbetten obendrauf. Die Heizung des Polos funktionierte zweifellos tadellos, wie er unschwer an Mikes verschwitztem Gesicht erkennen konnte, aber sie war auch nicht ansatzweise in der Lage, die Kälte aus seinem Körper zu vertreiben. »Was genau hat Georg verlangt?«
»Du sollst in zwei Stunden zu ihm in die Bar kommen«, antwortete Angela prompt. »Mit hunderttausend Euro. Alles Weitere will er dir dann selbst sagen.«
Diese Kälte. Sie war einfach unerträglich. Will hatte das Gefühl, bei lebendigem Leib einzufrieren, und er konnte an nichts anderes mehr denken als daran, wie er die Kälte aus seinem Körper vertreiben konnte. Mit einer Mischung aus schlechtem Gewissen, weil er kaum noch einen Gedanken an Duffy verschwendete, und Entsetzen über seinen Zustand setzte er den Plastikbecher erneut an seine Lippen.
Er hatte erwartet, dass der Kaffee in der Zwischenzeit abgekühlt sein würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Als die ersten Tropfen seine Lippen berührten, hätte er beinahe laut aufgeschrien. Ein brennender Schmerz durchzuckte seinen Mund. Seine Hände zitterten jetzt so stark, dass er den Becher gar nicht mehr ruhig halten konnte. Ein Teil der Flüssigkeit schwappte über den Rand. Der allergrößte Rest versickerte im schmuddligen Polster der Autositze, aber ein paar Tropfen erwischten seine verdreckte Hose.
Es war ein ganz eigentümliches Gefühl. Dort, wo ihn die Tropfen trafen, schienen kleine Hitzeinseln zu entstehen, nicht unähnlich der Wärmeexplosion, wenn heißes Lötzinn auf nackte Haut tropfte oder man an eine heiße Halogenbirne kam. Es waren keine Schmerzen, die er empfand, sondern ein fast angenehmes Kribbeln, das sich kreisförmig von den Trefferstellen ausbreitete.
Will starrte verblüfft an sich herab. Es war nicht nur eine subjektive Empfindung, es waren tatsächlich Löcher, die die wenigen Kaffeetropfen in seine Hose gebrannt hatten. Das war unmöglich, vollkommen u-n-m-ö-g-l-i-c-h. Der Kaffee, der seine Kehle heruntergeronnen war, war zweifelsohne heiß gewesen, aber bei weitem nicht kochend, und
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