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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schon gar nicht die zerbrechliche Gestalt eines Mädchens.
    Das alles passiert nicht wirklich, dachte Will hysterisch. Er ließ sich in die Hocke sinken, stützte sich mit beiden Händen im Matsch ab, legte den Kopf schief und sah unter dem Jaguar nach. In dem schummrigen Licht, das dort herrschte, konnte er nichts erkennen. Es war zum Verrücktwerden. Auch als er näher rückte, an den Jaguar heranwatschelte wie eine flügellahme Ente, mit der rechten Hand den Griff der Beifahrertür umklammerte und den Kopf fast platt auf die Erde legte, änderte sich nichts daran.
    Dort war niemand.
    Duffy war gar nicht im Wagen gewesen.

Kapitel 31
    Will fühlte sich vollkommen erschöpft, nicht nur körperlich und bedingt durch die Kälte, die sich so tief in ihn eingefressen hatte, dass sie zu einem Teil von ihm geworden war, sondern auf eine sehr viel tiefer gehende Art. Sein Bewusstsein balancierte auf dem messerscharfen Grat zwischen Vision und Realität. Es dauerte noch sieben, acht hämmernde Herzschläge lang, bis es ihm gelang, die Augen zu öffnen.
    Er war in einem Wagen. Natürlich wusste er, dass er in einem Wagen war, und er wusste auch, wem das Fahrzeug gehörte; er hätte die Fahrzeugdaten vor sich hin murmeln können wie eine archaische Beschwörungsformel, aber das nur, weil er sich mit Autos besser auskannte als mit Menschen oder sonst irgendetwas. Eingehüllt war er in eine stinkende Decke, die ihn nicht zu wärmen vermochte, weil die Kälte sich viel zu tief in ihn gegraben hatte, und seine Füße steckten in brüchigen, aber zumindest gefütterten Gummistiefeln.
    Er versuchte den Kopf zu drehen, er wollte etwas sagen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Für einen Moment erwog er ernsthaft die Möglichkeit, dass er in Wahrheit in dem verwühlten Bett von einer von Georgs Nutten schlief, dass all dies nichts als ein entsetzlicher Albtraum nach einer durchzechten Nacht war; ein Albtraum, in dem er eine Tochter hatte, von deren Existenz er noch nie gehört hatte, und in dem er einer Martina wiederbegegnet war, die ihr Leben dem Kampf gegen die zerstörerische Kraft des Feuers gewidmet hatte – und in dem ihn Visionen von verheerten Germanendörfern und niedergebrannten oder zerbombten Städten heimsuchten. Aber dann spürte er wieder die Kälte in seinen Knochen, die in ihn hineingekrochen war, während er halbnackt über eine schmuddlige Betonpiste getaumelt war, und den dumpfen Schmerz in seinem Unterschenkel, genau dort, wo ihn der wütende Biss des Jaguars getroffen hatte … wenn es ein Traum war, dann war es der realistischste, den er jemals geträumt hatte.
    So fest wie möglich biss er sich auf die Unterlippe. Er konnte den Blutgeschmack schmecken. Es war kein Beweis, dass er nicht träumte – aber es bewies ihm, dass er dabei war, die Kontrolle über seinen Körper wiederzuerlangen.
    »Wir müssen ihn in ein Krankenhaus bringen«, sagte eine Stimme neben ihm.
    Mühsam wie ein alter Mann nach einem Schlaganfall drehte Will den Kopf. Irgendetwas knirschte in seinem Nacken, und ein fast wohliges Wärmegefühl breitete sich in seinem Hinterkopf aus – aber nur dort, und in scharfem Kontrast zu der Kältewelle, die über seine Waden und Oberschenkel in seinen Unterleib kroch.
    »Kein … Krankenhaus«, krächzte er. Das Sprechen bereitete ihm größere Mühe, als er geglaubt hatte. Aber es ging, und das war die Hauptsache.
    »Ich weiß nicht, ob uns dazu die Zeit bleibt«, sagte eine Frauenstimme von vorne.
    Es war die Fahrerin des Uralt-Polos. Angela. Und neben ihr, das war … Mike. Einer der beiden Dumpfbacken, die in Martinas Diensten standen. Was auch immer das für Dienste sein mochten.
    Das Licht eines vorbeifahrenden Wagens fiel auf Mikes Profil und zauberte ein verwirrend zuckendes Muster auf seine linke Gesichtshälfte. Will blinzelte. Er verstand nicht, wie Mike in den Polo gekommen war. Als Angela vorhin gehalten hatte, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln, war er noch nicht im Wagen gewesen.
    »Doch«, sagte Mike. »Ich hab mich auf dem Rücksitz versteckt.«
    Will begriff, dass er die Frage laut gestellt hatte. Es war ihm gar nicht bewusst gewesen. Offensichtlich hatte ihn die Kälte nicht nur auskühlen lassen, sondern auch seine Gehirnwindungen eingefroren.
    »Duffy«, sagte er mit tauben Lippen. »Was ist mit ihr?«
    »Es geht ihr gut«, sagte Angela von vorne. »Mach dir keine Sorgen, Will. Es läuft alles nach Plan.«
    »Es läuft – nach was?« Will verschluckte sich fast. Der

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