Feuer: Roman (German Edition)
selbst wenn, hätte er sich wohl kaum durch den Stoff seiner Hose durchbrennen können. Er kam nicht dazu, sich weiter darüber Gedanken zu machen. Ein gellender Schrei ließ ihn zusammenfahren.
Es war Mike. Wie ein Verrückter riss er die Hände hoch und schlug mit offenen Handflächen in Wills Richtung. Will blinzelte und spannte sich in Erwartung des Schlags, der jetzt kommen musste – aber er hatte sich getäuscht. Mike hatte es gar nicht auf ihn abgesehen, sondern schlug auf das Polster zwischen ihnen ein, mehrmals hintereinander. Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Blick so entsetzt, dass Will gar nicht den Blick von seinem Gesicht wenden konnte.
»Verdammt«, brüllte Mike. Er riss die Hände wieder hoch. Flammen schlugen aus seinen Jackettärmeln hervor. »Tun Sie doch was!«
Will starrte fassungslos zwischen ihm und dem Polster hin und her. Dort, wo die Kaffeetropfen auf dem Sitz aufgeschlagen waren, schienen sie mit der Kraft winziger Kometen explodiert zu sein. Aus mehreren Flammennestern schlug Will ein feuriges Glosen entgegen, ein Züngeln, dessen Energie nicht in die Breite zu gehen schien, sondern ausschließlich nach oben. Im gleichen Moment spürte er die Hitze zwischen seinen Fingern.
Das Plastik des Kaffeebechers schmolz.
»Angela!«, schrie er. »Mach das Fenster auf!«
Die junge Frau musste im Rückspiegel mit angesehen haben, was passiert war. Es passte zu ihr, dass sie unerschrocken und ohne Nachfrage reagierte. Bei einem modernen Wagen hätte sie nur eine Taste zu drücken brauchen, um das Fenster an der Fahrerseite herunterfahren zu lassen, aber bei dem Polo gab es nur eine altertümliche Kurbel, mit der man das Fenster herunterkurbeln musste. Und das tat sie, ohne zu zögern und mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
Trotzdem wusste Will, dass sie zu langsam sein würde. Heißes Plastik tropfte auf seine Hand. Mit seiner Wahrnehmung war etwas ganz und gar nicht in Ordnung, denn wieder empfand er keinen Schmerz. Er sah deutlich, wie das geschmolzene Plastik tiefe Furchen in seine Haut brannte, aber er spürte nur eine fast angenehme Wärme, die über seine Hände in seine Arme glitt und zumindest partiell das schaffte, was die auf vollen Touren laufende Heizung des Polos nicht geschafft hatte: die Kälte aus seinem Körper zu treiben.
Mike hatte mittlerweile ein Tuch in der Hand, und er drückte es wie ein Wilder auf das brennende Polster, riss es aber immer wieder zwischendurch hoch, als wollte er Rauchzeichen geben. »Ich brauche einen Feuerlöscher«, brüllte er. »Verdammt noch mal, gibt es in dieser Schrottkiste keinen Feuerlöscher?«
»Gleich«, sagte Angela. Ihre Stimme klang ganz ruhig und sachlich, aber ihre Augen, die Will für einen Moment direkt auf sich gerichtet im Rückspiegel sah, sprachen eine andere Sprache. Wie eine Wilde drehte sie an der Fensterkurbel. Das Fenster rutschte in wahren Sprüngen tiefer, schneller, als wenn ein Elektromotor am Werke gewesen wäre. Trotzdem würde sie es nicht schaffen. Ganz einfach, weil Will einen Denkfehler gemacht hatte. In dem Moment, in dem er den schmelzenden Becher nach vorne schleuderte, würde der Kaffee in ihm zurückschwappen. Nach dem zu urteilen, was schon ein paar wenige Tropfen der Flüssigkeit bewirkt hatten, war gar nicht auszudenken, was passieren würde, wenn ein ganzer Schwall der im wahrsten Sinne des Wortes brennend heißen Flüssigkeit auf ihn und vielleicht auch auf Angela und Mike schwappen würde.
Aber er hatte Angela unterschätzt. Wahrscheinlich war sie auf die gleiche Idee wie Will gekommen, nur etwas früher als er. Sie trat in die garantiert ABS-freien Bremsen, und im gleichen Moment begriff Will die Chance, die sich ihm dadurch bot. Er ließ den Becher los und schubste ihn mit der anderen Hand nach. Es war eine reine Verzweiflungstat, denn er hatte weder die Zeit, abzuschätzen, ob der jetzt regelrecht in sich zusammenschmelzende Becher die richtige Flugbahn nehmen würde, noch, ob er nicht den Großteil seines Inhalts auf dem Weg zum Fenster verlieren würde.
Der Becher schwebte in der Luft, schien stillzustehen, vielleicht, weil sich seine Vorwärtsbewegung und die gegenläufige des gebremsten Polos gegeneinander aufhoben. Will starrte auf ihn, als könne er seine Flugbahn durch pure Gedankenkraft beeinflussen. Die Zeit schien stehen zu bleiben, für einen Moment, der sich zur Ewigkeit dehnte, fast wie bei einer Zeitlupenaufnahme. Will schnellte nach vorne, wollte dem verformten Becher noch
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