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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen letzten Schubser versetzen, aber er war zu langsam. Seine Fingerspitzen kamen dem Becher nur auf wenige Zentimeter nahe, dann sauste der Plastikbecher davon, haarscharf am Fensterholm vorbei – und war einen Augenblick später auch schon draußen. Der Polo war alles andere als ein Rennwagen, aber die knapp einhundertfünfzig – die er zumindest laut Tachometer brachte – genügten, um dem Kunststoffgefäß durch den von ihm erzeugten Luftwiderstand einen regelrechten Schlag zu versetzen und ihn im nächsten Moment auch schon aus Wills Blickfeld verschwinden zu lassen. Will verdrehte den Kopf bei dem Versuch, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Es gelang ihm nicht.
    Ein roter Kombi war ziemlich dicht hinter ihm. Sein Fahrer trat in die Bremse, als der Kaffeebecher haarscharf an seiner Windschutzscheibe vorbeizischte und irgendwo im Grün des Mittelstreifens verschwand.

BUCH V
    Röte das scharfe Schwert
    Und halte des Drachen Herz ans Feuer.
    Ich will das Herz zu essen haben
    Auf dem Bluttrunk, den ich trank.
    Das Lied vom Drachen

Kapitel 32
    Das dicke Veloursjackett, das Angela für ihn gekauft hatte, schlotterte um ihn herum, und das, obwohl er noch einen dicken Rollkragenpullover darunter trug und drei Unterhemden übereinander, die er gleich in der Umkleidekabine des kleinen Herrenausstatters angezogen hatte, den sie direkt nach Geschäftsbeginn betreten hatten: Ein gut gekleideter Endzwanziger, der so verschwitzt war, als hätte er in seinem Maßanzug gerade einen Marathonlauf absolviert, eine attraktive junge Frau mit hüftlangem blonden Haar und einer äußerst skurril zusammengestellten Kleidung, und eine verdreckte, vor Kälte schlotternde Gestalt, die aussah wie ein Penner, der drei Tage lang in einer Mülltonne genächtigt hatte. Das Stirnrunzeln des Verkäufers hatte sie begleitet, bis sie das Geschäft verlassen hatten, und noch jetzt glaubte er seinen misstrauischen Blick im Genick zu spüren. Hätte Angela nicht gleich mit einer goldenen Kreditkarte gewunken, als sie das Geschäft betreten hatten, und irgendetwas von einem Unfall gefaselt und dass Will ganz schnell warme Kleidung brauchte, um seine Zeugenaussage auf dem örtlichen Polizeirevier zu machen – der Verkäufer hätte wohl selbst genau dort angerufen und eine Streife herbeigebeten, um die zerlumpte und verdreckte Gestalt entsorgen zu lassen.
    Jetzt waren sie auf dem Weg zu Georg. Der kleine rote Polo zuckelte hinter einem Lieferwagen her, der sich wie sie selbst durch den Berufsverkehr quälte. Mike, der mittlerweile auf dem Beifahrersitz saß – möglichst weit weg von Will und dem fast durchgeschmorten Polster der Rückbank –, ließ das Handy sinken, in das er eben noch gesprochen hatte, und drehte sich zu Will um. »Frau Schmidt hat das Geld. Sie will uns in fünf Minuten treffen.«
    Will ließ das mit Wasser angefeuchtete Taschentuch sinken, mit dem er gerade versucht hatte, sein Gesicht sauber zu wischen, damit er nicht mehr länger wie ein Penner nach einer durchzechten Nacht aussah. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass Mike mit Frau Schmidt niemand anderen als Martina gemeint hatte. »Und sie weiß auch, wo wir uns treffen?«, fragte er.
    Mike nickte kurz und wandte sich dann wieder um. »Aber ehrlich gesagt: Mir gefällt das nicht. Ich finde, wir sollten die Polizei einschalten. Die haben Spezialisten für so was.«
    »Der einzige Spezialist für Georg bin ich«, sagte Will. Er warf das Taschentuch vor sich in den Fußraum und seufzte. »Haben Sie vielleicht einen Kamm für mich, Mike?«
    »Wenn es sein muss«, sagte Mike. Er griff in sein Jackett und brachte einen sicherlich nicht billigen Hornkamm hervor, den er mit leicht angeekeltem Gesichtsausdruck Will reichte. »Sie können ihn behalten.«
    Will konnte ihm die Bemerkung nicht verdenken. Er hätte dringend ein Vollbad gebraucht, sich so richtig im heißen Wasser einweichen lassen müssen – und das nicht nur, um sich aufzuwärmen, sondern auch, um den Dreck von seinem Körper zu bekommen. Die Schlitterpartie durch den schlammigen Straßengraben war nicht folgenlos geblieben; seine Haare waren regelrecht verklebt, und wahrscheinlich stanken sie auch. Mit zittrigen Händen fuhr er sich mit dem Kamm mehrmals durch die Haare. Er musste richtig Kraft aufwenden, um durchzukommen. »Wir bleiben dabei«, sagte Will. »Georg kann nicht damit rechnen, dass wir früher als verabredet kommen. Wenn wir jetzt keine Zeit mehr durch irgendeinen blöden Stau

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