Feuer: Roman (German Edition)
hatte ihm vor einer halben Ewigkeit erzählt, dass der Gang dahinter weit verzweigte und überall und nirgends hinführte – zumindest glaubte Will, dass Georg ihm das erzählt hatte –, aber das war nicht das, was ihn jetzt zögern ließ. Es war die Erinnerung an Dinge, die vor unendlicher Zeit passiert zu sein schienen und ihm doch so präsent waren wie die umwerfende Actionszene eines Blockbusters, die man auf der Nachhausefahrt nach einem großartigen Kinoerlebnis nicht mehr aus dem Kopf bekam. Die Gefühle, die in ihm hochstiegen, während er weiterhin unschlüssig auf die schmale Kellertreppe hinabstarrte, drohten ihn zu überwältigen.
Da war etwas gewesen, etwas Düsteres und Geheimnisvolles, ein Keller in einer von einem Großbrand verheerten mittelalterlichen Stadt, in den er hinabzusteigen geglaubt hatte … Nur mit Mühe gelang es ihm, den Anblick des düsteren Gewölbes vor seinem inneren Auge zu verscheuchen, den Geruch, den ihm die furchteinflößende Erinnerung entgegenströmen lassen wollte wie die Ausdünstungen eines Brandes, der sich vor Ewigkeiten hier ins Mauerwerk gefressen hatte. Er konnte und wollte sich nicht von dem ablenken lassen, was wirklich wichtig war.
Duffy war hier irgendwo ganz in der Nähe. Das sagte ihm nicht nur sein Verstand, das glaubte er auch geradezu mit jeder Faser seines Körpers zu spüren. Genauso wie die Gefahr, die sich vor ihm zusammenbraute wie ein Gewitter an einem strahlenden Sommertag.
Er löste seine Hände von dem rostigen Eisengitter, das er ohne es zu merken so fest umklammert hatte, dass ihm jetzt die Finger wehtaten, und stieg mit ungelenken Schritten die Treppe hinab. Jeder Schritt bereitete ihm Mühe, und das nicht nur, weil die Stelle oberhalb seines Knöchels wieder heftig zu pochen begann und ihm die Schuhe nicht richtig passten und er auf den unebenen Stufen wegzurutschen drohte. Es war beinahe so, als weigere sich sein Körper, hier herunterzugehen. Doch darauf konnte und wollte er keine Rücksicht nehmen.
Als er unten angekommen war und die Hand nach der Klinke der alten, aber durchaus massiv wirkenden Kellertür ausstrecken wollte, zitterten seine Finger so stark, dass er sie kaum kontrollieren konnte. Er atmete tief durch und versuchte es dann noch einmal. Das Metall fühlte sich seltsam kalt an, viel kälter, als es eigentlich zu dieser Jahreszeit sein sollte, und als er die Klinke herunterdrückte und sich die Tür quietschend nach innen bewegte, schlug ihm nicht stickiger Muff entgegen, wie er ihn erwartet hatte, sondern eiskalte, frische Luft, und gleichzeitig glaubte er so etwas wie eine schwache Vibration unter seinen Füßen wahrzunehmen.
Ich hatte mich in den letzten Tagen und Wochen durch schnee- und eisbedeckte Landschaften kämpfen müssen und in mancher Nacht das Gefühl gehabt, die Kälte fräße sich bis in meine Knochen durch, und trotzdem ließ mich der kalte Schwall fast zurückwanken, der mit dem Fremden in die Schmiede drang. »Was willst du?», herrschte ich ihn an.
Der Wolfsgesichtige sah aus kalten Augen zu mir hoch. »Das holen, was mir zusteht«, sagte er mit tiefer Stimme.
»Was dir zusteht?« Ich schüttelte den Kopf »Es gibt nichts, was dir zustehen würde. Jedenfalls nicht hier. Ich kenne dich nicht. Und ich fordere dich auf meine Schmiede zu verlassen … «
»Deine Schmiede?«, fragte der Wolfsgesichtige und machte noch einen weiteren Schritt auf mich zu, der die Woge eisiger Kälte vollends in den Raum gleiten ließ. »Wie kommst du darauf dass das hier deine Schmiede ist?«
»Weil ich … «
»Weil du was?« Die Wolfsschädel auf seinem Umhang schienen zu gespenstischem Leben zu erwachen und auf mich zuspringen zu wollen, als der Fremde eine ärgerliche Bewegung machte. Ich wollte nach meinem Schwert greifen, aber ein Geräusch hinter mir lenkte mich ab …
… und Will erstarrte mitten im Schritt. Es war ein leises Schaben und Rascheln, das eindeutig von hinten kam, von dort, wo eigentlich gar nichts sein sollte, vielleicht eine Ratte oder etwas Ähnliches, das er mit seinem Eindringen hier aufgeschreckt hatte. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Er hätte sich umdrehen und nachsehen müssen, was sich dort in seinem Rücken zu schaffen machte, aber er brachte es nicht über sich – vielleicht, weil er sowieso bereits ahnte, wer die Geräusche verursachte, und es keinen Unterschied machen würde, ob er sich nun ein paar Sekunden früher oder später Gewissheit verschafft hätte.
»Du solltest deinen
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