Feuer: Roman (German Edition)
haben könnte, schon im Ansatz zurückzudrängen. »Duffy geht es doch gut … Oder?«
Georg verzog keine Miene. »Keine Ahnung«, bekannte er. »Nein, um ehrlich zu sein: Ich glaube, es geht ihr ganz und gar nicht gut. Wie sollte es auch – nach allem, was geschehen ist.«
Ein Muskel unter Wills rechtem Auge begann zu zucken, als wollte er ein geheimes Morsesignal absetzen. Nach allem, was geschehen ist … Will wusste, dass Georg alles daransetzen würde, um ihn zu quälen und zu demütigen, doch das Wissen, dass er ihm mit seinen Worten ganz bewusst Angst machen wollte und sich hinter seiner Andeutung wahrscheinlich nichts weiter als heiße Luft verbarg, half ihm nicht weiter, beruhigte ihn nicht. Georgs Bemerkung hatte eine empfindliche Stelle in ihm getroffen, eine Stelle, von der er zuvor gar nicht gewusst hatte, dass es sie gab. Obwohl er versuchte, sich nach wie vor dagegen zu wehren, sah er Duffy vor sich, gefesselt und geknebelt und mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen, während sie auf die blitzende Messerklinge starrte, mit der ihr Fred vor der Nase herumfuchtelte, und im nächsten Moment mit gebrochenen Augen und blutverschmiertem Gesicht, und einen Sekundenbruchteil später …
Nein. Mit aller Gewalt brach er die Spirale der sich überstürzenden Bilder ab, in denen er Duffy in allen möglichen fürchterlichen Situationen zu sehen glaubte. »Was ist mit ihr?«, fragte er stattdessen.
Georg zuckte mit den Schultern. Hätte Will in diesem Moment eine Waffe in den Händen gehalten, er hätte ihn alleine für diese überhebliche Geste ohne Skrupel erschießen können. »Der Schock hat ihr natürlich zugesetzt«, sagte Georg ruhig. »Ich verstehe nicht viel von diesen Dingen. Aber man sagt, dass es das ganze Leben verpfuschen kann. Du weißt schon: dieses Gerede von zerstörten Kinderseelen und dieser ganze Quatsch.«
Zerstörte Kinderseelen … Die Formulierung hatte etwas von einem Angelhaken, der sich schmerzhaft ins Fleisch bohrt und sich bei jedem Befreiungsversuch nur noch tiefer gräbt. Wieder sah Will Duffys Gesicht vor sich, doch diesmal zerfloss es und wurde unscharf wie eine Fotografie, die in einem See versank und von jeder unruhigen Wasserbewegung ein Stück weiter weggetrieben wurde. »Du verdammtes Schwein«, sagte er. Er wusste, dass er so nicht mit Georg reden sollte, zumindest im Moment nicht, in dem der Nachtklubbesitzer alle Trümpfe in der Hand hatte, aber er musste seiner Empörung einfach Luft verschaffen. »Wie kannst du es wagen, Hand an ein Kind zu legen – nur weil du mich bestrafen willst?«
Georg reagierte ganz anders, als Will vermutet hatte. Er starrte ihn an, als zweifle er an seinem Verstand, und dann schüttelte er den Kopf. »Will, Will, Will. Ich hätte nicht gedacht, dass du so fürchterlich dumm bist. Natürlich weiß ich, dass du nicht gerade der Hellste bist. Aber dass du es noch immer nicht begriffen hast …«
»Noch immer nicht was begriffen?«, herrschte ihn Will an. »Wenn du mir hier bloß aufgelauert hast, um mich zu verarschen, kannst du dir die Mühe sparen. Es geht um ein Geschäft …«
»Seit wann hast ausgerechnet du von Geschäften eine Ahnung?«, unterbrach ihn Georg schroff.
Will blinzelte kurz, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Ich hab vielleicht wirklich keine Ahnung von Geschäften. Aber dir gratuliere ich, wirklich. Du bist auf eine Goldmine gestoßen. Wenn du klug bist, kannst du auf einen Schlag mehr Geld machen, als wenn du der Russenmafia ein Bordell abjagen würdest … oder aber auch für Jahre in den Knast wandern, oder Schlimmeres, wenn du einen Fehler machst. Duffys Mutter hat Geld, Macht und Einfluss. Sie kann dir das Leben zur Hölle machen. Und das wird sie, falls du Duffy etwas antust, verlass dich drauf.«
Georgs Gesicht wirkte wie eine aus Eis gehauene Maske. »Duffys Mutter ist ein Nichts – genauso wie du, obwohl …«, jetzt kam die Andeutung eines Lächelns auf seine Züge, »ich glaube, ich tue ihr da unrecht. Martina weiß zumindest ansatzweise, worum es in diesem Spiel geht …«
»Martina?« Will zuckte zusammen, als ob er geschlagen worden wäre. So, wie Georg den Namen ausgesprochen hatte, deutete er Intimität und Vertrautheit an.
»Ja. Martina.« Georg grinste nun eindeutig schmutzig, nur ganz kurz, aber das auf eine Weise, für die ihm Will am liebsten alle Knochen im Leib gebrochen hätte. »Du überraschst mich immer wieder aufs Neue, Will. Wie kann man nur so dämlich sein? Wie kann es nur
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