Feuer: Roman (German Edition)
Blutstropfen über seinen Handrücken liefen, und obwohl es nur eine kleine Geste war, wirkte sie so verrückt und abstoßend, dass Will aufgesprungen und davongelaufen wäre, hätte er es gekonnt.
»Na, dann.« Georg seufzte einmal kurz auf, lehnte sich etwas vor und stieß das Messer herab wie ein Jugendlicher, der ein Stück Holz damit spalten will. Will spannte sich vollkommen sinnlos; Georg hatte nicht auf ihn gezielt, sondern auf Rattengesicht. Mit einer einzigen wuchtigen Bewegung rammte er die Klinge tief in den Oberschenkel seines Opfers. Wills Augen weiteten sich, und sein Herz begann so laut und heftig zu pochen, dass er seinen Schlag bis hinauf in die Halsschlagader spüren konnte. Aber er konnte nicht weg, er musste mit ansehen, was mit dem langhaarigen Idioten passierte, der den Fehler gemacht hatte, sich mit Georg anzulegen. Rattengesicht zuckte, als wäre er wieder zum Leben erwacht – oder von dem Schmerz aus einer Ohnmacht gerissen? –, und aus der neu geschlagenen Wunde begann augenblicklich eine Blutfontäne hervorzusprudeln wie der Auftakt zu dem Entsetzlichen, was sich Georg für ihn hatte einfallen lassen.
»Ich hoffe, es hält«, sagte Georg mit einem Blick auf das Messer, als hätte er es tatsächlich lediglich in einen Holzblock gerammt und als bestünde seine einzige Sorge darin, dass es aus der Wunde rutschen und zu Boden fallen könnte.
Lieber Gott, mach, dass er tot ist, dachte Will entsetzt. Er hatte nicht die geringsten Sympathien für Rattengesicht übrig, aber das, was Georg ihm antat, ging weit über das hinaus, was er seinem ärgsten Feind wünschte – sein Gegenüber vielleicht ausgenommen.
Georg wirkte vollkommen gleichgültig. Mit einer gelassenen, selbstverständlichen Bewegung zog er den Gürtel aus der Schlaufe und wickelte ihn auf. »Zielloses Töten lohnt sich nie. Aber wenn es einen Sinn hat …« Er trat einen Schritt näher heran, sorgsam darauf bedacht, nicht so stark aufzutreten, dass das Blut sein Hosenbein heraufspritzte. »Wobei es natürlich im Auge des Betrachters liegt, was einen Sinn hat und was nicht. Denk nur an die großen Kriege. Oder an terroristische Einsätze. Es gibt Menschen, die sind tatsächlich bereit, nicht nur andere, sondern auch sich selbst zu töten, nur für die Aussicht, danach im Paradies einen ganzen Harem unbefleckter Jungfrauen durchbumsen zu können. Was ja nun wirklich eine reichlich naive Vorstellung paradiesischer Zustände ist. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.«
Wills Blick irrte verzweifelt durch das Gewölbe. Georg hatte die Taschenlampe so auf der Aktentasche abgelegt, dass sie die gegenüberliegende Wand beschien. Das Licht. das von dort reflektiert wurde, reichte aus, um mehr Details erkennen zu lassen, als ihm lieb war.
Überall war Blut. Nicht in den Mengen, in denen er lag, aber Sprenkel der roten Flüssigkeit waren weit genug gespritzt, um in ihrer direkten Umgebung überall eine unregelmäßige rötlich schwarze Maserung zu hinterlassen und dem sowieso schon düsteren Gewölbe etwas Albtraumhaftes zu verleihen. Rattengesicht lag neben ihm, nah, viel zu nah, in seltsam verkrümmter Haltung, den rechten Arm über die Brust geschlagen und ihm den Rücken zugewandt, und es schien ihm, als zucke er noch, als wäre da ein Rest Leben in ihm, und als Wills Blick sein Bein herabwanderte, wurde ihm schon wieder übel vor Abscheu und Widerwillen … und ein bitterer Schwall Magensäure schoss seine Kehle hoch, und einige, übel schmeckende Tropfen perlten über seine Lippen und rannen sein Kinn herab, als er vollends begriff, was Georg da getan hatte.
Die Angst überwog alles andere. Die Angst vor dem, was Georg bereits getan haben mochte – und was er jetzt im Begriff war, ihm anzutun.
»Ich habe schon Duffy klar zu machen versucht, was mit dir los ist. Nämlich nichts.«
Will starrte ihn fassungslos an. Hatte ihm Georg so deutlich angesehen, woran er gerade gedacht hatte?
»Sie schien nicht sehr überrascht zu sein, als ich ihr klar gemacht habe, dass du viel zu schwach bist, um dein eigenes Leben zu leben. Wie sollte es dir da möglich sein, auch nur einen Gedanken an deine Tochter zu verschwenden?«
Will spürte eine Woge heißer Empörung durch seinen Körper jagen, die ihn einen Moment lang seine Angst und seinen Ekel vergessen ließ. »Was soll das?«
»Ich habe ihr von unserem Gespräch berichtet. Du erinnerst dich? Als du nach dem Brand, beim dem du angeblich umgekommen bist, bei mir aufgetaucht
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