Feuer: Roman (German Edition)
bist und dich ausgeheult hast? Ich habe Duffy nur die Wahrheit gesagt. Dass du nichts von ihr gewusst haben willst, dass du sie mir gegenüber sogar verleugnet hast.«
Das war eine so ungeheuerliche Verdrehung der Tatsachen, dass es Will im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlug. »Ich … ich habe doch nur …«, stammelte er schließlich.
»Versuch jetzt bloß nicht, dich rauszureden«, fiel ihm Georg ins Wort. »Es wäre sowieso sinnlos. Meine Worte fielen nämlich auf äußerst fruchtbaren Boden. Martina hat offensichtlich schon vorher kein gutes Haar an dir gelassen. Ganz zu schweigen von ihrer Stiefschwester. Also brauchte ich bloß noch ein paar Stichworte zu geben. Den Rest hat die Tatsache erledigt, dass du die erste Übergabe total vermasselt hast, weil du dich eigentlich gar nicht für deine Tochter interessierst, sondern nur über sie an ihre Mutter kommen willst.«
»Aber …«
Georg beugte sich ein Stück vor und musterte Will aus zusammengekniffenen Augen. »Schluss jetzt. Ich möchte dieses Thema nicht weiter vertiefen. Dass Duffy tief von dir enttäuscht ist, kannst du ihr ja wohl nicht verdenken. Und nur ganz nebenbei: Das bin ich auch.«
»Ich habe doch nur versucht …«
»Ich habe durchaus bemerkt, was du versuchst hast«, sagte Georg kalt. »Aber es ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden.«
Er sah auf Will hinab wie ein Metzger auf ein Schwein, das er mit dem Bolzengerät töten und dann ausbluten lassen wollte.
»Was hast du vor?«, fragte Will, und seine Stimme klang zu seinem eigenen Entsetzen mehr nach einem Quieken als nach irgendetwas anderem.
»Ja, was habe ich vor?« Georg klang fast verwundert. Er riss seinen Blick von Will los und starrte auf das hinab, was noch vor wenigen Minuten ein lebender Mensch gewesen war. »Es kann einem schon das Herz aus dem Leib reißen, wenn man begreifen muss, dass man alles verloren hat, was das Leben lebenswert macht. Deine Wohnung – verbrannt. Die Frau, die du liebst – verachtet dich. Und deine Tochter hasst dich.«
»Warum?«, krächzte Will. Sein Blick wanderte zu dem Messer, das aus Rattengesichts Bein aufragte wie eine perverse Trophäe, und seine Gedanken drohten in winzige Stücke zu zerfasern, weggehämmert von der Panik, die ihn vollkommen zu überschwemmen drohte. Herz aus dem Leib reißen? Wie hatte Georg das gemeint? Georg ging in die Hocke und starrte erst gedankenverloren auf Rattengesicht. Etwas zuckte in dem Körper, in dem eigentlich kein Leben mehr sein sollte, und Will spürte, wie sich die bittere, gallige Flüssigkeit, die sich unter seiner Zunge gesammelt hatte, in einer Explosion entladen wollte. Georgs Kopf nickte wieder zu Will herum. »Du hast den Bogen überspannt, Will. Es gibt einfach Dinge, die man nicht tun sollte. Es gibt so etwas …«, Georg tat so, als suche er nach Worten, »… wie eine große moralische Basis zwischen uns Menschen. Es gibt Dinge, die wir uns gegenseitig nicht antun sollten, und wenn wir uns noch so hassen.«
Diese Worte klangen aus Georgs Mund so absurd, dass sie Will für einen Moment sogar seine Übelkeit vergessen ließen. Jemand, der genüsslich auf einem blutigen Steak herumkaut und währenddessen fallen lässt, dass er ja eigentlich strenger Vegetarier ist, weil er das Töten von Schlachtvieh aufs Äußerste verdammt, hätte tausendmal überzeugender geklungen als Georg.
»Menschen neigen zu Grausamkeiten«, dozierte er ungerührt weiter, »doch das gibt uns nicht das Recht, jeden Anspruch von Menschlichkeit fallen zu lassen, findest du nicht auch, Will?« Er griff nach unten und packte mit festem Griff Wills Schuh und zog ihn nach oben. »Das müssen wir irgendwo ablegen, raus aus der roten Soße«, stellte er mit der Sachlichkeit eines Notarztes fest, der sich selbst über die größten Ferkeleien nicht mehr wirklich aufzuregen vermag.
Er sah sich kurz um, schwenkte dann Wills Bein herum und ließ es die letzten Zentimeter unsanft auf Rattengesichts Beine plumpsen, haarscharf neben der Klinge, mit der ihn Fred noch vor wenigen Minuten hatte aufschlitzen wollen. Über Wills Lippen drang ein ersticktes Stöhnen. »Hoppla«, murmelte Georg. »Ich muss aufpassen, dass du dich nicht noch einmal an dem Messer ritzt. Das wäre dann wohl kaum die richtige Versorgung, oder?« Er lachte, als hätte er einen besonders gelungenen Witz gemacht.
Wills Hände begannen zu zittern, und die Bewegung breitete sich über seine Arme aus und erreichte
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